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Zahl sachgrundloser Befristungen stark gestiegen

Ohne ersichtlichen Grund einen befristeten Arbeitsvertrag haben? Immer mehr Menschen befinden sich in einer solchen Lage. In vier Bundesländern sind die Menschen besonders oft betroffen.

Befristetet
Auf einem Arbeitsvertrag steht »zeitlich befristet«. Foto: Karolin Krämer/dpa-tmn/dpa
Auf einem Arbeitsvertrag steht »zeitlich befristet«. Foto: Karolin Krämer/dpa-tmn/dpa

BERLIN. Immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten einer Studie zufolge mit einem befristeten Vertrag ohne Sachgrund.

Allein von 2017 auf 2018 sei die Zahl solcher Beschäftigungen um mehr als 200.000 gestiegen, wie eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigte. Demnach habe sich die Zahl der Befristungen ohne sachlichen Grund zwischen 2001 und 2018 mehr als verdreifacht - von 550.000 Menschen auf 1,8 Millionen. Im selben Zeitraum sei zudem der Anteil dieser Jobs an allen Arbeitsverhältnissen von 1,7 auf 4,8 Prozent gestiegen.

Gründe für einen befristeten Vertrag können etwa bestimmte Projekte eines Unternehmens sein, Vertretungen wie bei Elternzeit oder auch die Erprobung eines Mitarbeiters. Liegen diese nicht vor, spricht man von einer Befristung ohne Sachgrund. Solche Verträge will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) per Gesetz eindämmen. Die große Koalition hatte sich bereits im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Thema anzugehen. Ein Forscher des WSI schrieb dazu: »Die Regelungen im Koalitionsvertrag stellen einen brauchbaren Weg dar, die sachgrundlose Befristung in die Schranken zu weisen. Jetzt kommt es darauf an, diesen Gesetzeskraft zu verleihen.«

Der Auswertung zufolge waren im Jahr 2018 insgesamt 3,2 Millionen Jobs in Deutschland befristet, fast doppelt so viele wie 2001. »Befristete Beschäftigungen stellen für die zumeist jungen Betroffenen ein Problem dar, weil sie oftmals mit Einkommensarmut, Einschränkungen hinsichtlich der sozialen Teilhabe und der Familiengründung verbunden sind«, erklärten die Forscher des WSI. Sie haben für den Bericht Daten aus dem Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet.

Den höchsten Anteil an sachgrundlos Befristeten gibt es laut der Auswertung in den Bundesländern Berlin und Bremen mit jeweils mehr als sechs Prozent. In der Hauptstadt sei vor allem die hohe Zahl von darstellenden Berufen, die ein Drittel aller befristeten Einstellungen dort ausmache, dafür verantwortlich. In Bremen spiele der Logistikstandort Bremerhaven eine wichtige Rolle. Knapp 90 Prozent der dort beendeten Jobs im Bereich Verkehr und Lager bestünden weniger als ein halbes Jahr.

In Nordrhein-Westfalen sei der Anteil von 5,8 Prozent zum Teil auf Berufe im Bereich Werbung, Marketing und Medien zurückzuführen. »Einstellungen in diesen Berufen werden in NRW nicht nur überdurchschnittlich oft befristet, sondern haben zudem eine im Vergleich zum Bundesgebiet überdurchschnittliche Bedeutung«, so die Forscher. Baden-Württemberg hat der Auswertung zufolge ebenfalls einen Anteil von mehr als fünf Prozent sachgrundlos Befristeter. Grund dafür sei etwa die Metall- und Elektroindustrie, wo allein 15,7 Prozent der Einstellungen befristet seien - ein großer Teil davon sachgrundlos.

Gerade in Zeiten der Coronavirus-Pandemie werde es für Arbeiter mit befristeten Verträgen besonders schwer: »Da wir jetzt in der kommenden Zeit voraussichtlich auch mit Problemen auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen haben werden, wird es befristet Beschäftigte besonders treffen«, erklärte ein Datenmanager des WSI der Deutschen Presse-Agentur. Diese würden in Krisenzeiten nämlich mit als Erste entlassen. (dpa)

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