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»Wirtschaftsgipfel«: Verbände fordern Verlässlichkeit

Erst teilweise öffnen, dann wieder schließen: Wirtschaftsbranchen kritisieren ein Hin und Her in der Corona-Krise. Verbände haben vor einer Konferenz mit dem Wirtschaftsminister klare Forderungen.

Peter Altmaier
Peter Altmaier (CDU) hat erneut Vertreter von mehr als 40 Verbänden zu digitalen Beratungen eingeladen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archiv
Peter Altmaier (CDU) hat erneut Vertreter von mehr als 40 Verbänden zu digitalen Beratungen eingeladen. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archiv

BERLIN. Was würde ein möglicher harter Lockdown für die Wirtschaft bedeuten - und was kommt danach? Vor einem »Wirtschaftsgipfel« mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) haben sich Wirtschaftsverbände unzufrieden gezeigt mit dem Kurs der Politik in der Corona-Krise.

Sie fordern eine klare Perspektive und eine verlässliche Strategie. »Der Ad-hoc-Modus der vergangenen Monate ist keine Dauerlösung für ein im globalen Wettbewerb stehendes Industrieland«, sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), der Deutschen Presse-Agentur. »Es geht nicht allein darum, ob geöffnet oder geschlossen wird, sondern es muss auch geklärt sein, wann und wie.«

Eine verbindliche Verständigung auf einen bundesweit einheitlichen Maßnahmenkatalog sei für die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung und in der Wirtschaft elementar, sagte Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), der dpa, mit Blick auf bevorstehende Beratungen von Bund und Ländern. In einem solchen Katalog müsse auch klar geregelt sein, welche Beschränkungen oder Lockerungen beim Erreichen bestimmter Werte eintreffen.

Altmaier hat heute erneut Vertreter von mehr als 40 Verbänden zu digitalen Beratungen eingeladen. Der Minister dürfte sich wieder einiges anhören müssen: Die Wirtschaft stemmt sich auch gegen mögliche gesetzliche Auflagen für Corona-Testangebote für Beschäftigte, außerdem reißt die Kritik an den milliardenschweren Corona-Hilfen nicht ab.

Dazu kommt Unsicherheit, wie es nun weitergeht in Sachen Lockdown: Die Bundesregierung hatte am Mittwoch indirekt die Idee eines »Brücken-Lockdowns« von CDU-Chef Armin Laschet unterstützt. Eine Regierungssprecherin hatte von einem »kurzen einheitlichen Lockdown« gesprochen. Die nächsten Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Länderchefs sind für Montag geplant.

Wie aber könnte ein solcher Lockdown konkret aussehen? Die Debatte kommt außerdem zu einer Zeit, in der etwa in der Modellregion Saarland seit Dienstag die Außengastronomie, Fitnessstudios oder Kinos wieder geöffnet sind - Zugangsvoraussetzung ist ein negativer Corona-Test.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) forderte, statt überstürzter Öffnungen und kurzen Schließungen sollte es Zuverlässigkeit geben. Diejenigen Betriebe, die zwischenzeitlich zumindest eingeschränkt öffnen könnten, bräuchten Verlässlichkeit, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der dpa: »Weitere Belastungen der Betriebe sind nicht akzeptabel.«

Nach einem coronabedingten Einbruch der Wirtschaftsleistung 2020 stehen die Zeichen in diesem Jahr zwar wieder auf Wachstum, getragen vor allem von der exportstarken Industrie. Branchen wie das Gastgewerbe oder Teile des Einzelhandels sehen sich aber schwer belastet von monatelangen behördlich angeordneten Schließungen. Auch vor diesem Hintergrund und der dritten Corona-Welle haben Ökonomien ihre Wachstumsprognosen zuletzt gesenkt.

Die Bundesregierung hat zwar angekündigt, bei den Hilfen nachzulegen - geplant ist ein Eigenkapitalzuschuss, weil viele Firmen kaum noch finanzielle Reserven haben. Auch beim Kerninstrument der Programme, der Überbrückungshilfe III, sind Nachbesserungen vorgesehen.

Verbände beklagen, Hilfen kämen nicht ausreichend bei betroffenen Firmen an. Es seien zwar rund 90 Prozent der Anträge der November- und Dezemberhilfen bearbeitet und die Summen ausgezahlt worden, sagte Dehoga-Präsident Zöllick. »Allerdings ist es für die verbliebenen 10 Prozent absolut inakzeptabel, dass die Auszahlungen weiter auf sich warten lassen. Dies betrifft insbesondere die größten Arbeitgeber des Gastgewerbes, die inzwischen mit dem Rücken zur Wand stehen.«

Verbände fordern weitere Nachbesserungen. »Die in der vergangenen Woche beschlossenen Anpassungen bei der Überbrückungshilfe III reichen hier nicht aus, um den durch die Schließungsverfügungen und Corona-Auflagen verursachten Schaden auch nur annähernd abzufedern«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth. Die Deckelung der Hilfszahlungen führe dazu, dass große Unternehmen nicht ausreichend finanzielle Unterstützung bekämen.

Die Tourismusbranche pocht auf längere Hilfen. »Wir fordern, dass die Überbrückungshilfe über den 30. Juni hinaus verlängert wird«, sagte der Präsident des Branchenverbandes BTW, Michael Frenzel, der »Augsburger Allgemeinen«. Der Verband DTV schlägt laut »Tagesspiegel« einen Wiederaufbaufonds für den Tourismus vor nach dem Neustart der Branche. Der Präsident des Verbandes »Die Familienunternehmer«, Reinhold von Eben-Worlée, warnte in der »Rheinischen Post«: »Einen weiteren Hinhalte-Gipfel braucht es nicht.«

Und noch ein Thema dürfte beim »Wirtschaftsgipfel« eine wichtige Rolle spielen: die Angebote der Firmen an Mitarbeiter, sich auf das Virus testen zu lassen. In einem Bericht der Spitzenverbände der Wirtschaft an die Regierung ist von deutlichen Fortschritten bei der Ausweitung von Tests die Rede. Gesetzliche Auflagen aber sind noch nicht vom Tisch - Verbände warnen vor mehr Bürokratie. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag, Uwe Schummer, forderte in der Funke Mediengruppe, »das Testen in den Unternehmen sollte zu einer gesetzlichen Verpflichtung werden, solange die Pandemie nicht bekämpft ist«. (dpa)