Logo
Aktuell Wirtschaft

Wirtschaft und Gewerkschaften: Mehr Zuzug nach Deutschland

Die Ampel will 2023 die Hürden für den Zuzug von Arbeitskräften nach Deutschland senken. Dafür wird es aus Sicht von Wirtschaft und Gewerkschaften höchste Zeit. Doch neue Regeln alleine reichen ihnen nicht.

Fachkraft
»Wir müssen wegkommen von der Prüfungskultur hin zu einer Ermöglichungs- und Willkommenskultur.« Foto: Christoph Schmidt
»Wir müssen wegkommen von der Prüfungskultur hin zu einer Ermöglichungs- und Willkommenskultur.«
Foto: Christoph Schmidt

Wirtschaft und Gewerkschaften fordern für das neue Jahr umfassende Weichenstellungen für einen viel einfacheren Zuzug von Arbeits- und Fachkräften nach Deutschland.

»Wir sollten alle diejenigen, die zu uns kommen wollen und die wir brauchen, mit offenen Armen und Respekt empfangen«, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagte: »Wir müssen wegkommen von der Prüfungskultur hin zu einer Ermöglichungs- und Willkommenskultur.«

Im Herbst hatte die Regierung Eckpunkte für ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Verstärkt sollen auch Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ohne anerkannten Abschluss ins Land kommen dürfen. Auswahlkriterien sollen etwa Berufserfahrung oder Deutschlandbezug sein.

»Mit den Eckpunkten der Bundesregierung können wir zunächst einmal sehr gut leben«, sagte Fahimi. »Ich hoffe, in der Ressortabstimmung wird das jetzt vernünftig umgesetzt.« Begrüßenswert sei etwa, dass sich Deutschland auch um junge Potenziale bemühen wolle, die noch nicht mit der Ausbildung fertig seien. »Alle diese Menschen dürfen nicht vor bürokratische Hürden gestellt werden.«

Andere Einstellung

Spitzenvertreter der Wirtschaft machten auf die »aus der Zeit gefallenen Verfahren« sowie die »innere Einstellung in einigen Behörden« aufmerksam, wie DIHK-Präsident Peter Adrian sagte. »Auf dem Weg der Einwanderung von Fachkräften gibt es noch viele Hürden«, sagte Adrian.

Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, sagte der dpa: »In Deutschland wird vielfach eher sehr skeptisch alles das gesehen, was von außen kommt - wohl wissend, dass wir allein mit inländischem Potenzial nicht genügend Fachkräfte für die Betriebe und Unternehmen haben werden.« Nötig sei eine andere Einstellung - »auch bei der Arbeitsverwaltung und den Ausländerbehörden«, sagte Schwannecke. Die Eckpunkte der Regierung gingen in die richtige Richtung. Auch für einfache Tätigkeiten fänden die Betriebe oft keine Arbeitskräfte mehr.

Aussicht auf Staatsbürgerschaft

Fahimi und Dulger forderten auch Erleichterungen bei der Staatsbürgerschaft. »Ich bin sehr dafür, dass Fachkräfte, die bei uns arbeiten, die Staatsangehörigkeit innerhalb kürzerer Zeit bekommen können«, sagte der Arbeitgeberpräsident. »Hier handelt es sich ja genau um die Zuwanderung, die wir wollen und die wir brauchen.«

Fahimi sagte: »Es ist widersinnig, wenn wir sagen, wir wollen aus aller Welt gerne die Arbeitskräfte, aber wir sagen euch gleich, ihr habt keinen Anspruch auf das deutsche Staatsbürgerrecht.« Wenn sich jemand komplett selbstverantwortlich auf den Weg mache, brauche er eine realistische Option, dass er sich dauerhaft ansiedeln könne.

Bedingungen in Deutschland

Dulger mahnte: »Ich glaube, wir halten uns für viel attraktiver, als wir es eigentlich sind.« Deutschland sei nicht mehr für alle attraktiv, beispielsweise weil es nicht genug Kitaplätze gebe. Zudem sei attraktiver Wohnraum nötig für die Menschen, die kämen. »Wir wollen, dass die Menschen auch dauerhaft bei uns bleiben und arbeiten.«

Fahimi warb für einen leichteren Familiennachzug und teils sinkende Anforderungen beim Sprachniveau. »Als mein iranischer Teil der Familie 1978/79 aus dem Iran nach Kalifornien geflüchtet ist, konnten auch noch nicht alle perfekt Englisch«, erzählte Fahimi. »Da hat sich in den USA aber niemand für interessiert. Und die USA wären heute überhaupt nicht denkbar, wenn sie ein Einwanderungsgesetz hätten, wie wir es seit Jahrzehnten praktizieren.« Daran sollte man sich ein Beispiel nehmen.

Nationale Strategie

Dulger sagte: »Wir müssen schnell und entschlossen vorgehen - mit einer nationalen Strategie.« Das vermisse er im Moment noch bei der Bundesregierung. Es müsse viel mehr digital erledigt werden können. Schwannecke sagte: »Es braucht lange bei den Visa, da sind die Konsulate überlastet.« Vieles werde immer noch händisch gemacht.

DIHK-Präsident Adrian erläuterte: »Was wir brauchen und was wir uns wünschen ist ein unkompliziertes Handling über die Konsulate, über die Vertretungen im Ausland.« Das scheitere im Moment an den Verwaltungsstrukturen. »Das Auswärtige Amt muss ganz entschieden und rasch auf digitale Verfahren umstellen, damit deutsche Auslandsvertretungen schneller ein Visum erteilen«, forderte er.

© dpa-infocom, dpa:221226-99-18741/3