Finanzieller Vorteil für Akzeptanz von Windrädern beim Blick aus dem Fenster: Mehrere Bundesländer arbeiten derzeit an Gesetzen, die die Betreiber von Windkraftanlagen verpflichten sollen, vor allem Kommunen, aber auch Bürger an den Gewinnen aus Windstrom zu beteiligen.
Den Weg geebnet hat dafür im vergangenen Jahr das Bundesverfassungsgericht. Die Richter urteilten im Fall von Mecklenburg-Vorpommern, dass eine »Pflicht zur Beteiligung von Anwohnern und standortnahen Gemeinden an Windparks im Grundsatz zulässig« ist.
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg waren die ersten mit Beteiligungsregelungen. Jetzt wollen unter anderem Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen nachziehen, allerdings mit unterschiedlichen Modellen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Bremen prüft derzeit noch Regelungen zur verpflichtenden Beteiligung, ebenso Rheinland-Pfalz.
Einige Länder wollen einheitliche Bundesregelung
Andere, darunter Sachsen, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein pochen zunächst auf eine einheitliche Bundesregelung. »Aus unserer Sicht ist es nicht zielführend, einzelne Beteiligungsgesetze zu entwickeln«, sagte eine Ministeriumssprecherin in Hessen. Hessen hat allerdings eine Sonderregelung - eine Windenergiedividende für Anlagen auf landeseigenen Flächen.
Schleswig-Holstein vertritt wie Baden-Württemberg die Auffassung, dass Regelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz zur freiwilligen Beteiligung von Kommunen ausreichend sind. Bayern und Sachsen wollen, sollte der Bund nicht agieren, eigene Regelungen treffen. Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) sagte, statt der freiwilligen wolle er eine verbindliche Beteiligung von Kommunen an den Winderlösen. »Dreht sich das Windrad oder scheint die Sonne, kommt Geld rein für die neuen Fenster in der Kita, für die Freiwillige Feuerwehr, für das Vereinsleben im Ort.«
Im Schnitt vier bis fünf neue Windräder pro Tag bis 2030 - das war die Ansage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es nach Angaben von Windkraftverbänden noch nicht einmal zwei. Vor allem im Süden Deutschlands herrscht dabei eher Flaute.
Unterschiedliche Ansätze der Bundesländer
Was planen die Befürworter von gesetzlichen Beteiligungsregelungen, die sich wie Thüringens Energieminister Bernhard Stengele (Grüne) davon mehr Akzeptanz und letztlich Tempo beim Windkraftausbau versprechen?
Im Thüringer Landtag wird derzeit ein Gesetz beraten, das nach dem Willen von Rot-Rot-Grün Bürgern und Kommunen konkrete Einnahmen verspricht, aber auch Modelle mit günstigen Stromlieferungen zulässt. Die vorgesehene Standardregelung ist, dass Kommunen in einem Radius von 2500 Metern um neue Windräder jeweils 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde erhalten, Bürger 0,1 Cent pro Kilowattstunde. Gibt es keine Einigung mit den Windanlagenbetreibern würde eine Art Strafzahlung von 0,5 Cent pro Kilowattstunde an die Kommunen fällig.
Die schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen plant ein »Bürgerenergiegesetz« - das Anwohnern sowie Kommunen im Umfeld von Windrädern eine finanzielle Beteiligung ermöglicht. Wer ein Windrad neu bauen oder modernisieren will, soll dazu verpflichtet werden, eine Gesellschaft zu gründen und Anteile in Höhe von mindestens 20 Prozent an Bürger sowie Kommunen im näheren Umkreis anzubieten. Auch hier sind regional günstigere Stromtarife eine Option.
Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) will noch in diesem Jahr nach Ministeriumsangaben ein Beteiligungsgesetz durch den Landtag bekommen. Für Gemeinden seien beim Bau neuer und modernisierter Anlagen jeweils bis zu 30.000 Euro drin.
Ein ähnliches Gesetz wie in Thüringen hat Niedersachsens Regierung nach Ministeriumsangaben im Mai 2023 beschlossen - noch ist es nicht im Landtag. Betreiber von Windrädern und bestimmten neuen Solaranlagen sollen eine sogenannte Akzeptanzabgabe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die jeweiligen Gemeinden zahlen. Bürger, die nicht weiter als fünf Kilometer von einer Anlage entfernt leben, sollen sich direkt an Projekten beteiligen können.
Beim Vorreiter Mecklenburg-Vorpommern sind Investoren seit 2016 gesetzlich verpflichtet, beim Bau neuer Windparks an Land Anwohnern und Kommunen eine Projektbeteiligung von mindestens 20 Prozent anzubieten. Ein Anteil darf maximal 500 Euro kosten. Die Wirkung blieb indes überschaubar - es gab laut Wirtschaftsministerium bisher kaum Privatanleger, auch viele Kommunen ließen sich Zeit. In Brandenburg beschloss der Landtag 2019, dass die Betreiber neuer Windkraftanlagen 10.000 Euro Sonderabgabe im Jahr an die Gemeinden zahlen müssen.
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