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Wie wirksam ist die Zuckerbremse für Kinder-Lebensmittel?

Für eine gesündere Ernährung stehen auch Änderungen bei Rezepten im Blick, damit oft gekaufte Lebensmittel mit weniger Fett, Salz oder Zucker auskommen. Bei Kinderprodukten fällt eine Bilanz kritisch aus.

Özdemir
»Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden«, sagt Cem Özdemir. Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA
»Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden«, sagt Cem Özdemir.
Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA

Knusper-Müsli, Cola, Limonaden: In vielen beliebten Fertigprodukten steckt laut einer Studie trotz einiger Reduzierungen immer noch viel Zucker - besonders auch in Lebensmitteln für Kinder. So enthielten Frühstückscerealien für Kinder im Schnitt 17 Gramm Zucker pro 100 Gramm, wie das bundeseigene Max-Rubner-Institut heute nach einer Auswertung für 2022 mitteilte - über die ganze Produktgruppe gesehen waren es 14,7 Gramm.

Bundesernährungsminister Cem Özdemir bekräftigte seine Pläne zu Werbeverboten für ungesündere Produkte an die Adresse von Kindern. Verbraucherschützer verlangten weitere gesetzliche Vorgaben, die Lebensmittelbranche warnte davor.

Özdemir will an freiwilliger Selbstverpflichtung festhalten

»Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden«, sagte Özdemir in Berlin. Denn wer viel davon esse, erhöhe sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Übergewicht. »Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, Rezepturen zu verbessern«, mahnte der Grünen-Politiker. Er ließ erkennen, dass er am Weg über freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter festhalten will. »Es ist nicht gottgegeben, wie viel Zucker in der Limonade ist.«

Hintergrund ist eine noch von der vorigen Bundesregierung gestartete Strategie, nach der sich Branchen zu Reduktionszielen bei Zucker, Fett und Salz bis 2025 verpflichten. Um die Zusagen zu Änderungen bei den Zutaten zu überprüfen, macht das Rubner-Institut ein regelmäßiges Monitoring. Für die neue Auswertung kamen im vergangenen Herbst 7000 Produkte unter die Lupe. Darunter waren solche, die sich an Kinder richten - mit bunten Aufdrucken oder Spielzeugextras in der Packung.

Im Schnitt 6 Gramm Zucker bei Erfrischungsgetränken

Beispiel Erfrischungsgetränke: Über die ganze Palette von Colas, Limos und Mischgetränken lag der Zuckergehalt jetzt im Schnitt bei 6,0 Gramm pro 100 Milliliter - nach 6,3 Gramm bei der Basiserhebung 2018. Das seien »keine signifikante Veränderungen«, erläuterte Institutspräsident Pablo Steinberg. Bei Light-Limonaden habe es sogar ein Zuckerplus von 1,9 Gramm auf 2,8 Gramm gegeben. Bei gesüßten Getränken für Kinder sank der Zuckerschnitt von 7,2 Gramm 2018 zwar zunächst auf 5,4 Gramm 2019. Nun stieg er aber wieder auf 6,3 Gramm. Özdemir zeigte das mit Zuckerstückchen in einem Glas: »Da können Sie gleich den Zahnarzt mitbestellen, wenn Sie das regelmäßig trinken.«

Beispiel Frühstückscerealien: Für die ganze Produktgruppe sei eine signifikante Zuckerreduktion zu sehen, erläuterte Steinberg - im Mittel von 18,4 Gramm 2016 auf nun 14,7 Gramm pro 100 Gramm. Jedoch stieg der mittlere Fettgehalt von 9,2 auf 10,9 Gramm je 100 Gramm. Und Frühstücksprodukte mit Kinderoptik hatten im Schnitt 3,3 Gramm mehr Zucker pro 100 Gramm Packungsinhalt als die Gesamtgruppe. Auch bei anderen Lebensmitteln schnitten Kinderprodukte in früheren Studien ungünstiger ab, wie das Ministerium erklärte: Müsliriegel für Kinder hätten den höchsten mittleren Fettgehalt gehabt, Nudelsoßen für Kinder den höchsten mittleren Zuckergehalt unter Nudelsoßen.

Werbeverbote nur zu bestimmten Zeiten

Özdemir untermauerte daher seine Gesetzespläne zu Werbebeschränkungen für ungesündere Produkte an die Adresse von Kindern. »Niemand sagt, das soll verboten werden«, sagte er mit Blick auf Herstellung und Verzehr solcher Lebensmittel. Wenn die Industrie Zucker, Fett und Salz reduziere, könne sie auch normal werben. Überhaupt sei es eine Gerechtigkeitsfrage, dass alle Kinder gesund aufwachsen könnten, auch wenn Eltern teils nicht so gut darüber Bescheid wüssten. Seine Pläne hat Özdemir nach Einwänden der mitregierenden FDP schon abgeschwächt. So sollen Werbeverbote auf Zeiten konzentriert werden, wenn besonders viele Kinder Fernsehen schauen - zum Beispiel werktags von 17.00 bis 22.00 Uhr. Zunächst war es von 6.00 bis 23.00 Uhr vorgesehen.

Auch die Debatte über mehr Bremsen für Zucker, Fett und Salz fachten die Daten wieder an. Der Lebensmittelverband Deutschland warb für die freiwilligen Selbstverpflichtungen und hob »teilweise beachtliche Erfolge« bei Zutatenänderungen hervor. So würden Verbraucher ohne Geschmackseinbußen schrittweise mitgenommen, und Hersteller hätten weiter die Hoheit über ihre Produkte. Die Verbraucherorganisation Foodwatch monierte indes: »Das Prinzip Freiwilligkeit hat auf ganzer Linie versagt.« Es brauche nun dringend gesetzliche Maßnahmen - neben »Junkfood-Werbeschranken« auch eine Limo-Steuer für stark gezuckerte Getränke. Özdemir sieht in der Koalition aber keine Mehrheit dafür.

© dpa-infocom, dpa:230704-99-280039/3