Die Pläne für Deutschlands erstes LNG-Terminal bekommen politischen Rückenwind. Es geht um Investitionen von insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro. Stade und Brunsbüttel konkurrieren um die Pole-Position.
Auch wenn es wohl noch dauert – derzeit spricht einiges für einen Aufbau der Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG). Andere Länder sind schon viel weiter. In der EU gibt es bereits 26 LNG-Terminals.
»Nicht zuletzt die Ukraine-Krise und die gestiegenen Energiepreise zeigen uns, dass Deutschland unabhängiger von den Gaslieferungen und bilateralen Abkommen mit einzelnen Staaten werden muss. LNG kann hier ein richtiger Weg sein«, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).
Positive Signale kommen und kamen von der neuen und der alten Bundesregierung. Befeuert durch ein mögliches Kriegsszenario an der ukrainischen Ostgrenze, die zum Politikum gewordene Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 und die hohen Gaspreise rückt LNG als Brückenenergieträger in den Fokus.
In Stade sollen die Antragsunterlagen im Sommer abgegeben werden. Es gibt unterschiedliche Genehmigungsbehörden für den unmittelbar an der Elbe geplanten Anleger und das Terminal auf dem Gelände des Chemiekonzerns Dow Chemical. Ein bis eineinhalb Jahre könnte das Genehmigungsverfahren im günstigen Fall dauern, schätzt Johann Killinger. »Dann geht es mit dem Bauen los.«
Inbetriebnahme 2026?
Killinger ist geschäftsführender Gesellschafter der Hanseatic Energy Hub GmbH (HEH), die das Terminal plant.
Wenn alles glatt läuft, wäre die Inbetriebnahme 2026. Die Eckwerte: 800 Millionen Euro Investitionen, plus etwa 150 bis 200 Millionen Euro für die öffentlichen Hafenanlagen. In der Endstufe sollen bis zu 12 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr in die deutschen Netze eingeleitet werden. Rund zehn Prozent des jährlichen deutschen Gasverbrauchs peilt die HEH als Einleitungsvolumen aus Stade an.
»LNG-Terminals sind ein zusätzlicher Bypass. Sie helfen, die Versorgungssicherheit zu erhöhen«, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dem »Handelsblatt«. »Und wir brauchen eh Terminals für Wasserstoffimporte. Wir können dann Teile der Infrastruktur mitnutzen. Die Situation in diesem Winter ist eng gewesen, daraus muss man eine politische Konsequenz ziehen.«
Ein höherer Anteil an LNG würde zwar die Bezugsquellen für Erdgas auf eine breitere Basis stellen, aber an der deutschen Importabhängigkeit nichts ändern. 95 Prozent des Erdgases muss Deutschland importieren. Die Eigenproduktion von 5 Prozent stammt fast ausschließlich aus Niedersachsen. Große weltweite LNG-Exporteure sind unter anderem Katar, Australien, die USA und Algerien.
»Deutschland hat zwar keine eigenen LNG-Terminals, kann aber über den Markt in den Niederlanden und über das europäische Gasnetz kurzfristig mit LNG beliefert werden«, beschreibt Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Zu den LNG-Terminals Dunkerque (Frankreich), Rotterdam (Niederlande) und Zeebrugge (Belgien) bestünden direkte Infrastrukturverbindungen nach Deutschland.
Rechnete sich bislang nicht
Aufgrund der guten Verbindungen und der geringen LNG-Nachfrage in Deutschland sei der Bau von LNG-Terminals hierzulande bislang nicht wirtschaftlich gewesen, so Andreae. »Sollte es aus wirtschaftspolitischen Gründen den Wunsch nach deutschen LNG-Terminals geben, dann müssten diese Kosten zum Teil bezuschusst werden.«
Dauern wird es ohnehin, denn auch in Brunsbüttel ziehen sich die Projektpläne für ein geplantes Terminal in die Länge. Rund vier Jahre nach Präsentation des Vorhabens gibt es noch keinen Termin für eine endgültige Investitionsentscheidung, wie eine Sprecherin der German LNG Terminal GmbH sagte. Es handele sich um eine sehr komplexe, kostenintensive und langfristige Investition. Nach früheren Angaben soll das Projekt eine Kapazität von rund 8 Milliarden Kubikmeter Erdgas haben und mit rund 450 Millionen Euro eine der bedeutendsten Industrieansiedlungen im Norden sein.
LNG wird mit minus 162 Grad tiefgekühlt, flüssig per Schiff transportiert, angelandet, erwärmt, »regasifiziert« und dann in die Netze eingegeben. Es gibt erhebliche Zweifel an der Klimabilanz von LNG und auch an den geplanten Terminals. Die Deutsche Umwelthilfe hält beide Projekte für nicht genehmigungsfähig. Selbst in Habecks Partei und dessen früherer politischen Heimat gibt es Ablehnung. So votierten die in Schleswig-Holstein in einer Jamaika-Koalition mitregierenden Grünen bei ihrem Parteitag am vergangenen Sonntag gegen ein LNG-Terminal in Brunsbüttel. »Schleswig-Holstein braucht kein LNG-Terminal«, steht im Beschluss. Selbst ein Kompromissantrag scheiterte.
Dabei ist das Brunsbütteler Projekt als »nationales LNG-Terminal« Bestandteil des Koalitionsvertrages von CDU, Grünen und FDP. Allerdings endet die Amtszeit der Regierung bald. Schleswig-Holstein wählt am 8. Mai einen neuen Landtag.
Zudem: Seit dem Koalitionsvertrag sind fünf Jahre vergangen, und Umweltschützer drängen immer vehementer auf rascheres Handeln. »LNG-Terminals zu bauen dauert Jahre und ändert nichts an Deutschlands Abhängigkeit von fossilen Energien. Klimaschädliches Frackinggas ist keine Antwort auf eine sichere Energieversorgung, sondern Teil der fossilen Sackgasse«, wendet Greenpeace-Energieexperte Gerald Neubauer ein. Seine Forderung an die Ampel-Regierung: mit einem Erdgasausstieg bis 2035 die klimaschonende Wärmewende einleiten.
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