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VW verdient vor Diess-Abgang üppig - Krise teils entschärft

Weltweit beschäftigen der Ukraine-Krieg, der Mangel an Elektronik und das Handelschaos nach Lockdowns in China die Autobranche. Bei Volkswagen setzt nach einem harten zweiten Quartal Besserung ein.

Volkswagen
Europas größte Autogruppe konnte ungeachtet »beispielloser globaler Herausforderungen beachtliche finanzielle Robustheit bewiesen«. Foto: Julian Stratenschulte
Europas größte Autogruppe konnte ungeachtet »beispielloser globaler Herausforderungen beachtliche finanzielle Robustheit bewiesen«.
Foto: Julian Stratenschulte

Trotz Chipkrise und neuer Corona-Einschränkungen in China hat der Volkswagen-Konzern im ersten Halbjahr einen Gewinnsprung geschafft. Der zum September ausscheidende Vorstandschef Herbert Diess verabschiedet sich mit insgesamt starken Zahlen.

So lag das Ergebnis nach Steuern mit 10,6 Milliarden Euro gut ein Viertel über Vorjahresniveau, wie die Wolfsburger am Donnerstag mitteilten. Das zweite Quartal, in dem weitere Lockdowns den chinesischen Markt ausbremsten, drückte für sich genommen die Erträge um 22 Prozent. Der Absatz von E-Fahrzeugen zog aber an.

Finanzchef Arno Antlitz sagte, Europas größte Autogruppe habe ungeachtet »beispielloser globaler Herausforderungen beachtliche finanzielle Robustheit bewiesen«. Für die zweite Jahreshälfte geht er von einer Entspannung aus. In Asien habe schon eine spürbare Erholung eingesetzt.

»Allerdings lassen sich die konkreten Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine oder der Covid-19-Pandemie weiterhin noch nicht abschließend beurteilen«, schränkte VW ein. Vor allem profitable Oberklassewagen trugen den Konzern zuletzt durch die angeschlagene Autokonjunktur.

Das Betriebsergebnis von Audi verbesserte sich von 3,3 Milliarden auf 5 Milliarden Euro, bei Porsche von 2,7 Milliarden auf 3,3 Milliarden Euro. Für die Kernmarke VW Pkw blieben 1,9 Milliarden Euro übrig nach 1,2 Milliarden Euro vor einem Jahr. Hier nahmen Umsatz und Absatz merklich ab. Zugleich wurden ein Viertel mehr E-Autos ausgeliefert.

Teil der Gewinne wird investiert

Die Gewinne sollen auch in eigene Software und Dienstleistungen fließen. Weitere elektrische Modelle folgen, und nach dem Baustart der Batteriezellfabrik in Salzgitter treibt Volkswagen Planungen für die nächsten Zellwerke voran. Der Rückkauf von Europcar soll genutzt werden, um das Netzwerk der Mobilitätsdienste auszubauen - von Shuttle-Services über Carsharing bis zu Abo- und Mietangeboten.

In der Entwicklung selbstprogrammierter IT-Systeme hakte es zuletzt heftig. Interne Reibereien und teure Abstimmungsprobleme verzögerten geplante Modellanläufe und sollen mit zur Ablösung von Diess geführt haben. Im zweiten Quartal sei die zuständige Konzernsparte Cariad bei Updates für die bestehende Fahrzeugflotte besser geworden, hieß es. Das Management sei nach Spannungen viel besser ausgerichtet, sagte Antlitz. Aber der Verlust verdoppelte sich nahezu von 502 Millionen auf 978 Millionen Euro. Ein Grund dafür liegt auch in den Investitionen für den weiteren Ausbau von Cariad und neues Personal.

Aufgabenaufteilung nach Personalwechsel noch unklar

»Wir können die Transformation der Gruppe aus einer Position der Stärke fortsetzen«, meinte der Finanzvorstand zu den Verdiensten von Diess, der Anfang September von Porsche-Chef Oliver Blume abgelöst wird. Antlitz soll Blume dabei im Tagesgeschäft unterstützen, weil dieser parallel weiter die Stuttgarter Tochter leiten soll. Die genaue Aufteilung der Aufgaben muss erst geklärt werden. »Wir haben die Spezifika noch nicht ausgearbeitet«, sagte Antlitz.

Details dazu werde es wohl in einigen Wochen geben. Bei einigen Branchenexperten waren Zweifel lautgeworden, ob Blumes Doppelrolle tragbar ist - zumal er sich mit Porsche-Finanzchef Lutz Meschke um den bis Jahresende vorgesehenen Börsengang der Marke kümmern muss.

Ein Teil der Aktien der Porsche AG soll bald am Finanzmarkt frei gehandelt werden können. So will Volkswagen seinen Wert erhöhen. »Es ist immer noch absolut sinnvoll«, sagte Antlitz auf die Frage, ob der Zeitrahmen angesichts der weltwirtschaftlichen Turbulenzen passe. Man werde zudem »robuste Verfahren« einrichten, die Interessenkonflikte in der Steuerung von Porsche und des Konzerns vermeiden sollen.

Bei der Produktivität gebe es Fortschritte. Die Kernmarke VW galt im Vergleich zu anderen Herstellern lange als renditeschwach. Ihr neuer Chef Thomas Schäfer gab weitere Kostensenkungen als Ziel aus: »Damit wollen wir mittelfristig eine Effizienzsteigerung um 20 Prozent für die gesamte Markengruppe Volumen erreichen.« Neben den Wagen mit dem VW-Emblem koordiniert Schäfer im Konzernvorstand die Zusammenarbeit mit Skoda, Seat/Cupra und den leichten VW-Nutzfahrzeugen.

Stoppen steigende Preise den Aufschwung?

VW Pkw stellt sich im zweiten Halbjahr auf eine deutlich höhere Belastung durch Rohstoff- und Energiekosten ein. Wie sehr sich das in den Fahrzeugpreisen niederschlägt, ist unklar. Antlitz sagte zu den stockenden Auslieferungen: »Wir fahren bis zum Jahresende weiter hoch, um sicherzustellen, dass unsere Kunden ihre Autos bekommen.«

Im Herbst sind auch die nächsten Verhandlungen zum VW-Haustarif angesetzt. Antlitz dämpfte indirekt Erwartungen an hohe Lohnzuwächse. »Die Mitarbeiter profitieren bereits von unseren guten operativen Ergebnissen. Dies sollte mit berücksichtigt werden«, sagte er mit Blick auf die Bonuszahlungen. Ein größerer Teil der Teuerung sei zudem nicht dauerhaft, sondern vorübergehend.

Der Konzernumsatz kletterte von Januar bis Juni um 2 Prozent auf 132,3 Milliarden Euro. Dabei spielte die erstmalige Einbeziehung des US-Lkw-Bauers Navistar eine Rolle. Über alle Marken und Regionen gesehen nahmen die Auslieferungen um mehr als 22 Prozent auf etwa 3,88 Millionen Fahrzeuge ab. Die Produktion ging nicht im gleichen Ausmaß zurück - ein Teil der Autos staut sich weiter in den Werken.

Das um Sonderkosten für »Dieselgate« bereinigte operative Ergebnis fiel im zweiten Quartal um 28 Prozent auf 4,74 Milliarden Euro. Dabei wogen Bewertungseffekte für die Rohstoffabsicherung schwer. Solche Geschäfte gehen Firmen ein, um Preisausschläge oder Mengeneinbrüche abzufedern. Die Zahl der Beschäftigten sank geringfügig auf 668.000.

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