FRANKFURT/MAIN. Minuszinsen statt Zinsen auf das Ersparte: Immer mehr Banken und Sparkassen geben nach Daten des Vergleichsportals Verivox Negativzinsen an einen Teil der Privatkunden weiter.
Seit der letzten Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) vor knapp sechs Monaten hat sich die Zahl der Institute auf mindestens 61 mehr als vervierfacht, wie aus der Auswertung hervorgeht. »Seit dem Notenbankentscheid nahm der Trend immer mehr Fahrt auf«, berichtete Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.
Allein in diesem Jahr hätten 35 Geldhäuser Negativzinsen für Guthaben vor allem auf dem Tagesgeldkonto eingeführt. Damit sind solche Banken aber immer noch in der Minderheit: Das Vergleichsportal hat die im Internet veröffentlichten Preisaushänge von rund 800 Banken und Sparkassen ausgewertet. Im Fokus stehen dabei Tagesgeldkonten. Da einige Institute individuelle Vereinbarungen mit vermögenden Kunden träfen, dürften insgesamt mehr als 61 Geldhäuser Negativzinsen verlangen, erläuterte Maier. Hinzu kämen 6 Finanzhäuser, bei denen das üblicherweise kostenfreie Tagesgeldkonto Gebühren koste. Dadurch entstünden faktisch Negativzinsen.
Die EZB hatte Mitte September 2019 den Strafzins auf 0,5 Prozent verschärft, den Finanzinstitute zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Damit wollen die Währungshüter Anreize für die Kreditvergabe schaffen, um die Konjunktur anzukurbeln.
Auch wenn es inzwischen höhere Freibeträge gibt, sind die Strafzinsen eine Milliardenbelastung für die Branche. Nach Daten der Deutschen Bundesbank haben Kreditinstitute von Mitte Dezember 2018 bis Mitte Dezember 2019 rund 2,4 Milliarden Euro Zinsen auf bei den Währungshütern gebunkertes Geld bezahlt.
An Firmenkunden geben Geldhäuser die Kosten schon länger weiter. Zunehmend trifft es aber auch Privatkunden - zum Teil auch schon bei geringeren Summen. Verivox zufolge räumen 10 Institute Kunden weniger als 100.000 Euro Freibetrag auf dem Tagesgeldkonto ein - zwei davon erheben den Negativzins auf das gesamte Guthaben.
Verbraucherschützern zufolge sind Negativzinsen grundsätzlich verboten. Sie seien bei Bestands- und Neukunden nur zulässig, wenn das Verwahrentgelt explizit mit den Kunden vereinbart worden sei. »Es reicht nicht, lediglich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu ändern«, sagte Dorothea Mohn, Leiterin des Finanzmarktteams bei Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Betroffene sollten bei Zweifelsfragen die Verbraucherzentralen kontaktieren.
Grundsätzlich sehen Verbraucherschützer Negativzinsen bei »gängigen« Summen auf Spar- oder Girokonten kritisch. »Aus unserer Sicht ist das wirtschaftlich nicht erforderlich. Die Banken verdienen nach wie vor gut«, sagte Mohn. Betroffene Kunden sollten über einen Wechsel des Kreditinstitutes nachdenken.
Verbände wie der Genossenschaftsverband erwarten allerdings keine Negativzinsen auf breiter Front. Die Volks- und Raiffeisenbanken nähmen den »Schutz des Spargedankens« sehr ernst, sagte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Ingmar Rega jüngst. »Es wird viel mehr über die Weitergabe von Negativzinsen diskutiert als über den ausbleibenden Vermögensaufbau für die Altersvorsorge der Menschen«, beklagte Rega.
Auch die Commerzbank will das Gros ihrer Kunden weiter vor Negativzinsen verschonen. »Wir versuchen den Sparer weitestgehend von den Belastungen freizuhalten. Das funktioniert im Moment auch noch«, sagte Konzernchef Martin Zielke jüngst der »Bild«-Zeitung. Im November hatte die Commerzbank angekündigt, sie suche mit Privatkunden, die deutlich mehr als eine Million Euro auf ihrem Bankkonto haben, das Gespräch über alternative Anlagemöglichkeiten. (dpa)