Die Einzelhändler in Deutschland bräuchten dringend ein kleines Weihnachtswunder. Nach einem schwierigen Jahr für die Branche wären umsatzstarke Wochen zum Jahresende besonders wichtig. In einigen Branchen wie Spielwaren, Bücher, Schmuck und Unterhaltungselektronik beträgt der Anteil der Monate November und Dezember immerhin ein Viertel des Jahresumsatzes. Doch die vorweihnachtliche Vorfreude im Handel ist getrübt.
Denn zurzeit kommt zu viel zusammen, was die Aussichten auf ein gutes Weihnachtsgeschäft dämpft. Wie schon im Vorjahr drücken erneut wirtschaftliche Unsicherheit, Inflation und Kriege auf die Konsumstimmung der Verbraucher. Fast 80 Prozent der Händler gehen laut einer Umfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) davon aus, dass viele Kunden in den kommenden Wochen nur zurückhaltend einkaufen.
Dieses Jahr durchschnittlich 295 Euro für Geschenke
Bereinigt um Preissteigerungen rechnet der HDE im November und Dezember deshalb mit einem Umsatzminus von 5,5 Prozent im Vergleich zu 2022. Durchschnittlich 295 Euro wollen Verbraucher laut einer repräsentativen YouGov-Umfrage im Auftrag des HDE in diesem Jahr für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Der repräsentativen Befragung zufolge plant fast jeder Zweite so viel Geld für Geschenke ein wie im Vorjahr, 28 Prozent weniger und nur 10 Prozent mehr als im Vorjahr.
Laut einer Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY sinkt das Geschenkbudget von 252 auf 250 Euro und damit auf den niedrigsten Wert seit 2014. Unter Berücksichtigung der hohen Inflation sei das ein Einbruch. Noch im Jahr 2019, also vor der Pandemie, wollten die Verbraucher 281 Euro ausgeben. »Die Menschen haben ihr Konsumverhalten an die gestiegenen Preise angepasst, sie kaufen schlicht weniger ein«, stellt auch Ole Schröder, Vorstand der Schufa, fest. Die meisten Menschen in Deutschland müssten nach eigener Einschätzung mit weniger Geld auskommen. So habe etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten angegeben, seit Jahresbeginn über weniger Einkommen zu verfügen, geht aus einer Schufa-Verbraucherumfrage hervor.
Bundesweite Warnstreiks drohen in der Weihnachtszeit
Der Einzelhandel muss im Weihnachtsgeschäft mit weiteren Hürden rechnen. So hat der Dezember nicht nur zwei Verkaufstage weniger. Und im Tarifkonflikt der Branche hat die Gewerkschaft Verdi angekündigt, die bundesweiten Warnstreiks in der Weihnachtszeit fortzusetzen. Wegen des Krieges in Nahost fürchten die Händler, dass auch große Demonstrationen die Menschen vom Weg in die Innenstädte abhalten könnten. Die Lust darauf, ist ohnehin nicht mehr besonders stark ausgeprägt: Laut EY-Umfrage ist nur noch 39 Prozent der Menschen das vorweihnachtliche Einkaufserlebnis in den Innenstädten wichtig - 2019 lag der Anteil noch bei 59 Prozent.
Die Mehrheit der Verbraucher sucht die Geschenke nicht mehr beim klassischen Stadtbummel, sondern im Internet. Unverändert beliebt sind bei den Verbrauchern vor allem Gutscheine, Spielwaren, Bücher und Kosmetikprodukte. Aber auch die Aussichten beim E-Commerce sind nicht besonders gut. Preisbereinigt erwartet der HDE im Weihnachtsgeschäft ein Minus von 4,3 Prozent im Vorjahresvergleich. Immerhin vorsichtig optimistisch sind die Erwartungen beim Versandhändler Otto. Demnach gäben die Kunden pro Bestellung zwar etwas weniger aus als im Vorjahr, dennoch sei die Anzahl der Bestellungen um 14 Prozent gestiegen.
»Wir hoffen, dass das Weihnachtsgeschäft besser wird als erwartet. Die Lage ist oft besser, als sie subjektiv wahrgenommen wird. Entscheidend ist das Bauchgefühl der Menschen«, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die Händler setzen dabei auch auf den emotionalen Faktor. Sie wünschen sich, dass Winterwetter, festliche Beleuchtung und die Weihnachtsmärkte dazu beitragen, dass die Menschen in die Innenstädte kommen und sich etwas gönnen.
Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung - so lautet die Devise der Einzelhändler nicht nur bis Ende Dezember. Auch darauf, dass die Inflation 2024 wieder zurückgeht und sich die Lage endlich wieder normalisiert.
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