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Umwelthilfe gewinnt Klage gegen KBA: »Betrugsdiesel«

Eine Abschalteinrichtung in Dieselfahrzeugen ist per Gerichtsbeschluss unzulässig. Wie wirkt sich die Entscheidung auf Hersteller und Fahrer aus?

Thermofenster
Umweltschützer und Autobauer streiten sich über eine Technik, welche die Reinigung der Abgase verringert. Foto: Marijan Murat
Umweltschützer und Autobauer streiten sich über eine Technik, welche die Reinigung der Abgase verringert.
Foto: Marijan Murat

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat im Rechtsstreit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Sachen Abschalteinrichtungen von Abgasreinigungssystemen in Dieselfahrzeugen einen Erfolg erzielt. Die Umweltorganisation hatte das KBA vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig verklagt, weil sie der Auffassung ist, dass sogenannte Thermofenster unzulässig sind und die vom KBA im Nachhinein bewilligten Abschalteinrichtungen entfernt werden müssen.

Der Autobauer Volkswagen war in dem Prozess beigeladen. Die Klage sei im Wesentlichen erfolgreich, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsverkündung am Montag. Die Thermofenster in dem genehmigten Umfang seien unzulässig. Der Entscheidung ging eine mehrere Stunden dauernde mündliche Verhandlung voraus.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Neben der Berufung wurde auch eine Sprungrevision zugelassen. Mit einer Sprungrevision kann unter bestimmten Voraussetzungen die Berufungsinstanz übersprungen und direkt das Bundesverwaltungsgericht befasst werden.

Folgen für VW

Die Volkswagen AG betonte nach dem Urteil, »bis zur rechtskräftigen Klärung drohen weder behördliche Stilllegungen von Fahrzeugen noch Hardware-Nachrüstungen wegen des Thermofensters«. Ebenso bleiben nach Ansicht des Unternehmens zivilrechtliche Klagen, »die einen vermeintlichen Schadensersatzanspruch auf das Vorhandensein eines Thermofensters stützen, wie bisher erfolglos«.

Umweltschützer und Autobauer streiten sich seit Jahren über Thermofenster. Die Software verringert die Reinigung der Abgase etwa bei niedrigeren Temperaturen, so dass die Autos dann mehr Schadstoffe ausstoßen. Im konkreten Fall geht es um bestimmte Dieselversionen des VW Golf, die das KBA 2008 und 2009 genehmigte. 2016 billigte das KBA dann die temperaturabhängige Abgasrückführung in den Software-Updates.

Die Autohersteller argumentierten in den vergangenen Jahren häufig, Abschalteinrichtungen seien notwendig, um den Motor zu schützen. Nach Rechtsprechung des sind Thermofenster nur unter ganz engen Voraussetzungen erlaubt, zum Beispiel wenn konkrete Gefahren abgewehrt werden müssen. Nach Überzeugung der Schleswiger Richter lag dies in dem verhandelten Fall nicht vor. Die möglichen Schäden, die beschrieben worden seien, seien »Worst-Case«-Szenarien.

Volkswagen teilte nach der Urteilsverkündung mit, die schriftlichen Entscheidungsgründe des Gerichts abwarten zu wollen und diese sorgfältig zu prüfen. Dann werde über weitere Schritte entschieden. »Unsere Einschätzung bleibt unverändert: Die temperaturabhängige Abgasrückführung in den hier betroffenen Fahrzeugen schützt vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall. Diese wiegen so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen können.«

Aus Sicht des Herstellers wäre es unverantwortlich gewesen, Fahrzeuge mit solchen Risiken auf den Markt zu bringen. »Diese technische und regulatorische Bewertung hat auch das KBA als Marktüberwachungs- und Genehmigungsbehörde stets geteilt und bestätigt.«

Auch die Politik muss ran

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch war »sehr zufrieden und glücklich mit dem Urteil«. Allerdings bedauere er, dass es sieben Jahre bis zur Klärung gedauert hatte. Nun heiße es, für Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schnell zu handeln. Resch fordere den Minister als obersten Dienstherrn des KBA dazu auf, »dass er jetzt Sorge trägt, dass alle rund zehn Millionen Betrugsdiesel, die noch auf Deutschlands Straßen unterwegs sind, entweder still gelegt oder auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden«. Das aktuell verhandelte Verfahren ist eines von rund 120, das die DUH in der Angelegenheit angestrengt hat.

© dpa-infocom, dpa:230220-99-671638/3