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Tulpen für die Tonne: Blumen landen massenweise im Müll

Wer Blumen kauft, behält sie oft nicht selbst. Da das soziale Leben aber fast zum Erliegen gekommen ist, kämpft auch der Blumenhandel. Wohin mit all den Frühlingsblühern? Die Antwort ist ernüchternd.

Blumenhandel
Tulpen blühen im Botanischen Garten Keukenhof in den Niederlanden, der aufgrund der Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus geschlossen ist. Foto: Peter Dejong/AP/dpa
Tulpen blühen im Botanischen Garten Keukenhof in den Niederlanden, der aufgrund der Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus geschlossen ist. Foto: Peter Dejong/AP/dpa

AALSMEER. Lebensnotwendig sind sie nicht. Wenn der Alltag auf das Lebensnotwendige heruntergefahren wird, fallen Blumen daher schnell hinten runter.

Was in besseren Frühlingsmonaten gern verschenkt, in die Vase gestellt oder in den Vorgarten gesetzt wird, landet heute in Massen auf dem Kompost - so wie auf dem Hof der Familie Overlöper in Dinslaken in Nordrhein-Westfalen.

»Unser Geld steckt in den Pflanzen«, erzählt ein Mitglied des Familienbetriebs. »Das ist ein echtes Existenzproblem.« Die Zeit rund um Ostern und Muttertag ist eigentlich Hauptsaison. Alles sprießt wieder, alle sehnen sich nach dem grauen Winter nach bunten Farbflecken in Wohnung, Balkon oder Garten.

In den Niederlanden ziehen sich riesige Felder mit blühenden Tulpen zurzeit wie bunte Teppiche durch das Land - rosa, rot, gelb, violett, geradezu eine Pracht. Normalerweise eine beliebte Kulisse für Fotos von Brautpaaren und Touristen, doch in diesem Jahr herrscht Leere. Vor den Höfen der Blumenzüchter stehen große Kübel: 50 Tulpen für gerade mal fünf Euro, doch kaum jemand fährt hier vorbei. Die 1,5 Millionen Touristen, die sonst zur Blüte kommen, bleiben diesmal zu Hause.

Die Niederländer exportieren jährlich für rund sechs Milliarden Euro Pflanzen und Blumen. Doch wegen der strengen Maßnahmen in der Corona-Krise ist der Export fast zum Erliegen gekommen. Das liege an den geschlossenen Grenzen und den fehlenden Absatzmöglichkeiten, sagt der Sprecher von Royal Flora Holland, Michel van Schie.

Üblicherweise herrscht im März in den Auktionshallen der Genossenschaft in Aalsmeer bei Amsterdam Hochbetrieb. Es ist einer der weltweit größten Handelsplätze für Pflanzen und Blumen. Jährlich werden von Royal Flora Holland zwölf Milliarden Pflanzen und Blumen verhandelt. Und jetzt? Totaler Einbruch.

So wie die Anlässe ausfallen, an denen man sich normalerweise Blumen schenkt, so bricht auch das Geschäft weg. Geburtstage, Kommunionen, Konfirmationen, Hochzeiten, sogar Beerdigungen, werden gestrichen oder finden nur noch im ganz kleinen Kreis statt. Besuche im Krankenhaus oder Pflegeheim sind weitgehend verboten. »Wenn man keine Leute mehr trifft, dann schenkt man auch keine Blumen«, fasst van Schie die Situation zusammen.

Die Genossenschaft hat ihre Züchter aufgerufen, bei der täglichen Versteigerung nur noch rund ein Viertel ihrer Ware anzubieten. Der Rest werde nicht verkauft, die Transportkosten könnten sich die Züchter sparen. Der größte Teil der Schnittblumen wird zu Abfall. »Das haben wir bisher noch nie erlebt«, so van Schie.

»Wir kippen jetzt massenweise Tulpen, Primeln und Ranunkeln in den Müll«, erzählt auch Norbert Engler, der dem Verband des Deutschen Blumen-Großhandels vorsteht. Der Umsatz sei derzeit auf etwa 20 Prozent vom Normalzustand abgesackt. In Supermärkten blieben viele Blumenständer leer, da dort häufig Schnittblumen aus Afrika verkauft würden, erklärt Engler. Für diese seien vielfach die Transportwege abgeschnitten. Auch bei Royal Flora Holland beklagt man einen Umsatzrückgang von mehr als 70 Prozent. Sollte die Krise länger andauern, dann erwartet der Sektor einen Gesamtschaden von zwei bis drei Milliarden Euro.

Wer einen Balkon oder Garten hat, kann sich derzeit glücklich schätzen, weil er auch zu Hause frische Luft und Sonne tanken kann. Man habe erst angenommen, dass diese Menschen weiterhin viele Pflanzen kaufen würden, erzählt Engler. Doch in einigen Bundesländern sind Blumenläden und Baumärkte für Privatkunden geschlossen, sodass der normale Verkauf gar nicht mehr möglich ist. Andere seien verunsichert oder wollten nicht viel Geld ausgeben angesichts der unsicheren Aussichten. Dort, wo Blumenläden noch geöffnet sind, etwa in Nordrhein-Westfalen, ist die Nachfrage mau. »Selbst Zimmerpflanzen werden vernichtet, weil der Absatz einfach nicht da ist. Es sieht sehr schlecht aus«, so Engler.

Immerhin einer ist noch optimistisch: Blumenzüchter Jeroen Pauw, der sich im holländischen Hoorn am Ijsselmeer etwas Neues ausgedacht hat: Vor seinem Gartenzentrem stauen sich die Autos. »Unglaublich«, sagt Pauw dem niederländischen Fernsehen. Seine Idee vom »Tulpen-Drive-In« schlägt voll an. Aus der ganzen Region kommen Leute in ihren Autos, um Pauws Blumen zu kaufen. Wenigstens etwas. (dpa)