BERLIN. Die deutsche Reisebranche stellt sich nach dem historischen Einbruch im Corona-Krisenjahr 2020 auf weiter harte Zeiten ein und schreibt das laufende Touristikjahr wirtschaftlich weitgehend ab.
»Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn wir für den Markt der Reisebüros und Reiseveranstalter rund 50 Prozent des Umsatzvolumens von 2019 erreichen würden«, sagte Norbert Fiebig, Präsident des Reiseverbandes DRV, am Mittwoch. Nach dem Rekordjahr 2019 war der Umsatz mit organisierten Reisen in der Corona-Krise um 65 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro eingebrochen.
»Damit fällt der Umsatz auf ein Niveau von vor über 30 Jahren zurück«, sagte Fiebig knapp eine Woche vor Beginn der internationalen Reisemesse ITB, die in diesem Jahr online stattfindet. »Der organisierte Reisemarkt hat besonders stark unter der Pandemie gelitten.« Insgesamt gaben die Menschen in Deutschland im vergangenen Touristikjahr 2019/2020 den Angaben zufolge knapp 32 Milliarden Euro für Reisen aus. Das war ein Rückgang um 54 Prozent.
Zwar mehren sich den Angaben zufolge die Anzeichen für ein Anziehen der Buchungen für die wichtige Sommersaison. »Mit der Aussicht auf Impfungen und mehr Möglichkeiten für Tests steigt auch die Zuversicht, bald wieder verreisen zu können«, berichtete Fiebig.
Insgesamt verharrten die Neubuchungen in den vergangenen Wochen aber auf einem Niveau von etwa gerade einmal 20 Prozent des Vorjahresvolumens. »Dieser Umsatzeinbruch bei Reiseveranstalterbuchungen von über 80 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum wird nicht annähernd einzuholen sein, dieses Jahr wird weiter von Verlusten für die Reisewirtschaft geprägt sein«, sagte Fiebig. Normalerweise sind die ersten Wochen eines Jahres die Hauptbuchungsmonate.
Die meisten Kunden buchen dem DRV zufolge derzeit Reisen für den Sommer oder später im Jahr – zum Teil sogar erst Trips im nächsten Jahr. Weit oben auf der Beliebtheitsskala stehen bei Flugpauschalreisen bislang Griechenland und die Türkei. Auf die bis Ende April laufende Wintersaison – und damit auch die Osterferien – entfallen nur 13 Prozent der Neubuchungen, die Mitte Februar eingingen.
Fehlende Öffnungsstrategien der Politik und große Unsicherheit über Reisemöglichkeiten in den Osterferien ließen viele Kunden zögern. »Nicht nur die gesamte Branche, sondern auch die Menschen brauchen klare und gut planbare Perspektiven«, forderte Fiebig auch mit Blick auf die Corona-Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch.
Mit einem Anlaufen des Geschäfts zu Pfingsten beziehungsweise zum Sommer rechnet jeweils etwa ein Drittel der Unternehmen, wie aus einer DRV-Umfrage unter rund 600 Mitgliedsfirmen hervorgeht. Einen Neustart zu Ostern sehen nur wenige der Unternehmen. Zehn Prozent der befragten Reisebüros und knapp neun Prozent der Reiseveranstalter sehen in diesem Jahr überhaupt keine Chance auf ein Anlaufen des Geschäfts.
Der DRV fordert systematische Corona-Tests statt Quarantäne nach der Rückkehr Reisender aus dem Ausland. »Das Argument nicht ausreichender Test-Kapazitäten gilt inzwischen nicht mehr«, sagte Fiebig. Noch wichtiger sei mehr Tempo beim Impfen. »Es kann nicht sein, dass wir im internationalen Vergleich dabei so hinterherhinken.« Zudem müsse die Politik ihre nicht »enden wollenden Appelle« unterlassen, aufs Reisen zu verzichten.
Die Corona-Krise hat die Gewichte auf dem Reisemarkt im vergangenen Jahr verschoben. Erstmals wurden nur 39 Prozent der Privat- und Urlaubsreisen über Veranstalter gebucht – der Anteil lag bislang bei über 50 Prozent. Urlauber setzten vor allem auf Ziele zwischen Usedom und Garmisch-Partenkirchen oder in angrenzenden Ländern wie Österreich, die sie mit dem eigenen Auto oder der Bahn erreichen können. Diese Trips organisieren sich Reisende meist selbst.
Dennoch rechnet der DRV langfristig nicht mit einer grundsätzlichen Änderung des Reiseverhaltens. Laut einer aktuellen Umfrage der GfK-Konsumforscher hat sich an der Beliebtheit der Ziele wenig geändert. So peilen die Befragten in den nächsten Jahren neben Deutschland unter anderem auch wieder die Balearen, Griechenland, Italien, die Kanaren, Österreich und andere weltweite Ziele an. (dpa)