Schlechte Marktaussichten in China und geopolitische Spannungen lassen deutsche Unternehmen in China pessimistisch in die Zukunft blicken. Nach dem Ende der Null-Covid-Politik in der Volksrepublik hat sich die Stimmung nicht wie erhofft verbessert, wie eine Umfrage der Deutschen Handelskammer in China (AHK) ergab, die am Donnerstag in Peking vorgestellt wurde. Mehr als die Hälfte der Unternehmen erwartet demnach dieses Jahr eine »unveränderte oder schlechtere« Branchenentwicklung. Fast jedes dritte fürchtet einen Gewinnrückgang. Bei Investitionen zeigt sich deutliche Zurückhaltung.
»Die schleppende Entwicklung des Marktes sowie die anhaltenden geopolitischen Spannungen haben Hoffnungen auf eine schnelle Verbesserung des Geschäftsumfelds relativiert«, sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Handelskammer in Peking. »Unternehmen vor Ort lokalisieren und diversifizieren weiterhin, um den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen und ihr Risiko zu minimieren.«
Gedrücktes Geschäftsklima
Die Beziehungen zwischen China und Deutschland sind vor allem durch die chinesische Rückendeckung für Russland im Ukraine-Krieg, seine Drohungen gegen das demokratische Taiwan sowie deutsche Überlegungen für eine Verringerung der Abhängigkeit vom China-Geschäft belastet. Auch verdunkeln sich die konjunkturellen Aussichten für die zweitgrößte Volkswirtschaft. Chinas Außenhandel ist seit Jahresanfang um 6,2 Prozent zurückgegangen. Die Exporte brachen im Mai unerwartet stark um 7,5 Prozent ein, was neue Sorgen über das Wachstum weckt.
Das gedrückte Geschäftsklima dürfte auch bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 20. Juni in Berlin zur Sprache kommen. Für den neuen Regierungschef Li Qiang wird es die erste Auslandsreise seit seiner Amtsübernahme im März. Vor den politischen Gesprächen hat eine Delegation aus Spitzenvertretern der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter Leitung von DIHK-Präsident Peter Adrian in Peking einen »konstruktiv-kritischen Dialog« mit der chinesischen Seite aufgenommen, um die aktuellen Probleme anzusprechen.
Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der deutschen Unternehmen rechnet damit, dass sich die Lage für ihre Industrie in diesem Jahr weiter verschlechtert. Auch die Gewinnerwartungen lassen nach: 32 Prozent der Unternehmen rechnen mit einem Rückgang von mehr als fünf Prozent. Bei der Umfrage im August 2022 waren es nur 22 Prozent.
Trotzdem will mehr als die Hälfte (55 Prozent) in den nächsten Jahren in China weiter investieren. Die Zahl ist aber deutlich geringer als noch während der Pandemie 2020 und 2021 mit damals mehr als 70 Prozent. Und wenn Unternehmen heute trotz alledem investieren, tun sie es überwiegend (62 Prozent), um auf dem chinesischen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings wollen 17,7 Prozent ihre Investitionen abbauen, was deutlich mehr sind als 2020 und 2021.
Als größtes Problem nennen 57,8 Prozent der Firmen schlechte Erwartungen für die Marktentwicklung. 42,2 Prozent fürchten die gewachsenen geopolitischen Spannungen mit Sanktionen, Exportkontrollen, dem Ukraine-Krieg und dem Konflikt um Taiwan. Auch chinesische Bemühungen, sich unabhängiger vom Ausland zu machen, nennen 28,4 Prozent als Grund für zurückhaltende Investitionen.
Diversifizierung von Lieferketten
Um wegen der Risiken ihre Abhängigkeit von China zu verringern, verfolgen deutsche Unternehmen verstärkt eine Lokalisierung vor Ort (27,4 Prozent), aber auch eine Diversifizierung der Lieferketten weg von China (20,5 Prozent). Knapp ein Fünftel (18,8 Prozent) hat geplante Investitionen ausgesetzt. Weitere 18,4 Prozent verfolgen eine Diversifizierung ihrer Investitionen in andere Länder als China. Auch werden von 16,3 Prozent Planungen für den »schlimmsten Fall« gemacht, um sich notfalls ganz aus China zurückziehen zu können.
In der Erhebung, an der im Mai 288 Mitgliedsunternehmen der Kammer teilgenommen haben, äußerten 63,2 Prozent die Hoffnung, dass die chinesische Regierung zur Ankurbelung der Konjunktur die Zuversicht der Verbraucher stärkt - unter anderem durch direkte Fördermittel. 29,2 erhoffen sich eine Gleichbehandlung mit chinesischen Firmen bei öffentlichen Ausschreibungen.
Von deutscher Seite wünschen sie sich ein Ende des »Flaschenhalses« bei der Bearbeitung von Visaanträgen für ihre chinesischen Mitarbeiter zur Einreise nach Deutschland. Nach der Pandemie sind die Konsularstellen personell noch nicht wieder ausreichend besetzt. 76 Prozent der Unternehmen sind von den langen Vorlaufzeiten betroffen.
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