Logo
Aktuell Wirtschaft

Teures Öl und Gas trüben Aussichten der Chemieindustrie

Die Chemie- und Pharmabranche hatte für 2022 ein weiteres Rekordjahr angepeilt. Nun verändert der Krieg in der Ukraine die Lage fundamental.

Erdgas
Anlagen einer Erdgasverdichterstation. Foto: Patrick Pleul
Anlagen einer Erdgasverdichterstation.
Foto: Patrick Pleul

Der Krieg in der Ukraine hat die Hoffnungen der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie auf kräftige Geschäftszuwächse jäh erschüttert.

Hohe Gas- und Ölpreise trüben die Lage der energieintensiven Branche mit gut 466.000 Beschäftigten. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) zog seine Prognose für das laufende Jahr zurück, wie er in Frankfurt mitteilte. Zuletzt hatte der VCI ein Rekordjahr mit mehr Umsatz (plus 5 Prozent) und Produktion (plus 2 Prozent) erwartet. Eine neue Vorhersage wollte der Verband nicht wagen. »Jegliche Prognose wäre im hohen Maß spekulativ«, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.

Finanzieller Spielraum der Unternehmen schwindet

Die Aussichten für die Branche hätten sich mit dem Krieg dramatisch verändert, so der VCI. Mit den rasant gestiegenen Preisen für Öl und Erdgas schwinde der finanzielle Spielraum der Unternehmen. In einer Umfrage unter 247 Mitgliedsfirmen berichteten 70 Prozent über gravierende Probleme für ihr Geschäft wegen der teuren Energie. 54 Prozent erwarteten dieses Jahr Rückgänge bei Umsatz und Produktion.

Die Chemie- und Pharmabranche hatte 2021 ein Rekordjahr erlebt. Mit der Erholung vom Corona-Krisenjahr 2020 und dank guter Geschäfte mit Corona-Impfstoffen stieg der Umsatz um fast 18 Prozent auf 225 Milliarden Euro. Die Produktion legte kräftig um 5,3 Prozent zu.

14 Millionen Tonnen Rohbenzin als Rohstoff benötigt

Dieses Jahr dürften die Geschäfte schwieriger werden. Die Chemie- und Pharmabranche setzt laut VCI rund 2,8 Millionen Tonnen Erdgas als Rohstoff und 99,3 Terawattstunden Erdgas für die Erzeugung von Dampf und Strom im Jahr ein. Zudem benötigt sie über 14 Millionen Tonnen Rohbenzin als Rohstoff. In der Verbandsumfrage gaben aber 85 Prozent der Firmen an, steigende Produktions- und Beschaffungskosten gar nicht oder nur teilweise weitergeben zu können.

»Das führt zu Verschiebungen von Produktionen ins Ausland und Drosselungen von Anlagen im Inland, weil diese nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden konnten«, sagte Große Entrup. Zudem belasteten Störungen der Lieferketten, Logistikengpässe und Materialmangel auch die Chemie. Hier sei keine Trendwende in Sicht.

Warnung vor Importstopp von russischem Erdgas

Die direkten Verflechtungen mit Russland und Ukraine sind für die Chemie- und Pharmabranche hingegen überschaubar. Die beiden Länder machen laut VCI in Summe knapp 3 Prozent der deutschen Chemie- und Pharmaexporte oder gut 6,8 Milliarden Euro aus.

Der Verband bekräftigte seine Warnung vor einem Importstopp von russischen Erdgas als mögliche Sanktion gegen Russland. Dies würde nicht nur die Chemieindustrie, sondern die deutsche Wirtschaft breit treffen, da die Branche viele Kunden von Auto- bis Bauindustrie habe.

Von der Politik verlangte der VCI, dass alle Schritte zur Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie Vorrang haben sollten – etwa die schnelle Abschaffung der EEG-Umlage oder eine Senkung der Energiesteuer auf das EU-Minimum. Parallel müsse der Ausbau erneuerbarer Energien vorankommen.

© dpa-infocom, dpa:220317-99-553053/4