Wer angesichts rasant gestiegener Gasrechnungen seinen Energieanbieter wechseln will, könnte bei Versorgern außerhalb der eigenen Region vor verschlossener Tür stehen. Derzeit könnten mehrere Stadtwerke bereits keine Neukunden mehr aufnehmen oder ließen Verträge mit Kunden, die nicht in ihrem Versorgungsgebiet wohnen, auslaufen, erklärte ein Sprecher des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) auf dpa-Anfrage. »Das gilt für die Gasversorgung außerhalb der Grundversorgung.«
Innerhalb der Grundversorgung sei dagegen eine Beschränkung auf Bestandskunden und eine Ablehnung von Neukunden gesetzlich nicht möglich. Als Grundversorger gilt nach dem Energiewirtschaftsgesetz jeweils das Energieunternehmen, das in einer Region die meisten Haushaltskunden mit Strom beziehungsweise Gas beliefert. In vielen Fällen handelt es sich um die örtlichen Stadtwerke oder Flächennetzbetreiber.
Kommunal- und Energieverbände hatten zuletzt in einem gemeinsamen Appell auf die durch die Energiekrise verursachten Probleme der Versorger bereits hingewiesen und staatliche Unterstützung für die Unternehmen gefordert. Da sich die Situation weiter zuspitze, brauche es Stabilisierungsmaßnahmen für Stadtwerke und weitere regionale Energieversorger, die in allen Bundesländern zugänglich sind und im Ernstfall Hilfen anbieten, hieß es in einem Brief an die Ministerpräsidenten.
Stadtwerke konzentrieren sich auf Bestandskunden
In dem Schreiben hatten die Spitzenverbände auch auf den Kundenzustrom verwiesen, der dazu führe, dass die Grundversorger ungeplant mehr Energie beschaffen müssten - trotz des extremen Preisniveaus. »So nachvollziehbar die Idee vieler Menschen ist, sich aus Sorge vor den steigenden Preisen in die Grundversorgung fallen zu lassen, so schwierig ist dieses Unterfangen für die Stadtwerke«, erklärte der VKU-Sprecher dazu.
So seien nicht nur die Beschaffungspreise stark gestiegen, auch der Zwischenfinanzierungsaufwand steige - also die Summe, mit der Stadtwerke die Zeit vom Einkauf bis zum Weiterkauf an ihre Kunden und bis zur Erhöhung der Abschläge überbrücken müssten. »Beides zusammen erhöht den Liquiditätsbedarf der Stadtwerke. Das beeinträchtigt wiederum die Möglichkeit, Kundenanfragen nach Strom und Gas zu bedienen«, erklärte der Sprecher. Denn die Vor- und Zwischenfinanzierungslast erhöhe sich mit den zu beschaffenden Gasmengen. Die Folge sei, dass sich immer mehr Stadtwerke auf die Versorgung ihrer Bestandskunden konzentrierten. »Sie schränken das Neukundengeschäft ein, und auch Anschlussverträge stehen in Frage.«
Auch wenn Kunden ihre Rechnung nicht mehr zahlen könnten, habe das Folgen für die Versorger: »Zahlungsausfälle von mehr als zehn Prozent können das Eigenkapital der Stadtwerke aufzehren und sie in Liquiditätsnöte bringen.«
Neukunden müssen sich auf höhere Preise einstellen
Auch der in München ansässige Stadtwerkeverbund Thüga sprach von einer unerwartet großen Anzahl an Neukunden, die von Discountanbietern im Rahmen der »Ersatzversorgung« aufgenommen werden müssten. »Sicher ist, dass kein Kunde von einem Grundversorger abgewiesen wird, sondern die Stadtwerke und kommunalen Versorger ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen und auch in Krisenzeiten die Energiekundinnen und -kunden sicher und zuverlässig versorgen«, erklärte ein Thüga-Sprecher. Allerdings müssten sich vor allem Neukunden auf höhere Preise einstellen. Derzeit liefen immer mehr der langfristig ausgehandelten und im Vergleich zu aktuellen Bedingungen noch relativ günstigen Bezugsverträge für Erdgas aus - und neue Verträge hätten zu wesentlich höheren Preisen abgeschlossen werden müssen. »Dies führt insbesondere bei Verträgen für Neukunden zu höheren Preisen.«
Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte zuletzt zwar über eine Vervielfachung der Beratungszahlen von Gas- und Stromkunden berichtet. Spezielle Schwierigkeiten bei einem Anbieterwechsel seien aber derzeit kein Thema in den Beratungsgesprächen, sagte eine Sprecherin.
Ein Sprecher des Vergleichsportals Verivox erklärte, die Einschränkungen beim Neukundengeschäft seien schon seit Beginn der Energiekrise nicht nur ein Thema von Stadtwerken, sondern auch anderen Anbietern. »Wir sehen schon, dass der Wettbewerb dadurch eingeschränkt ist«, sagte der Sprecher. Angesichts der extremen Preisunterschiede nutzten derzeit viele Menschen das Portal, um sich über die Preise der Anbieter zu informieren.
© dpa-infocom, dpa:221025-99-249723/2