Bei der Deutschen Bahn gibt es über Pfingsten keine Warnstreiks. Im Tarifkonflikt mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hat der bundeseigene Konzern ein neues Angebot vorgelegt. Die Gewerkschaft schloss daraufhin aus, in den nächsten Tagen zu Arbeitsniederlegungen aufzurufen. »Wer verhandelt, streikt nicht«, sagte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch in Fulda. Die Bahn forderte die Gewerkschaft auf, sich bis Dienstag zum neuen Angebot zu äußern. Die EVG wiederum teilte mit, dass sie die Tarifverhandlungen in der kommenden Woche weiterführen möchte.
Das neue DB-Angebot für gut 180.000 Beschäftigte sieht zwölf Prozent mehr Geld für die unteren, zehn Prozent mehr für die mittleren und acht Prozent mehr für die oberen Einkommensgruppen vor. Die Erhöhungen sollen in zwei Stufen erfolgen, die erste im Dezember 2023. Außerdem bietet die DB die Zahlung von 2850 Euro Inflationsausgleichsprämie an - 1450 Euro voraussichtlich im Juli, weitere 1400 Euro im November. Die Laufzeit liegt im Angebot bei 24 Monaten - und damit doppelt so hoch wie von der EVG gefordert.
Hoffnung auf Einigung
»Es gibt mehr Geld und es gibt früher mehr Geld, das ist die wesentliche gute Botschaft«, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler in Fulda zum neuen Angebot. »Wir haben uns noch mal deutlich gestreckt. Wir hoffen nun, dass auf dieser Basis ein Ergebnis gefunden werden kann.«
Die EVG will bei den Verhandlungen mindestens 650 Euro mehr pro Monat und zwölf Prozent für die oberen Einkommen erreichen.
Dass nun über Pfingsten nicht gestreikt wird, dürfte nicht nur alle Bahnreisenden, sondern auch den Konzern selbst freuen. Das Feiertagswochenende gehört zu den reisestärksten im gesamten Jahr. Weil die Fahrgäste bei einem Warnstreik Anspruch auf Entschädigung haben, wäre ein Ausstand sehr teuer geworden - und unabhängig von den Kosten hätte mutmaßlich der Frust über die Bahn zugenommen.
Andauernde Verhandlungen
DB und EVG verhandeln seit Ende Februar über einen neuen Tarifvertrag. Zu Beginn gingen die Gespräche nur sehr stockend voran, zweimal rief die EVG daher zum Warnstreik auf und versuchte, den Druck auf die Bahn schnell zu erhöhen. Ein dritter, 50 Stunden langer Warnstreik wurde kurzfristig abgesagt, weil beide Seiten vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt am Main einem Vergleich zustimmten.
Die vierte Verhandlungsrunde begann am Dienstag in Fulda. Loroch bezeichnete die Gespräche der vergangenen Tage als »konstruktiv im Vergleich zu den vorherigen Runden, weil wir mal in die Themen einsteigen konnten«. Immer wieder wurde in kleineren Runden und Arbeitsgruppen verhandelt, Zwischenergebnisse ausgetauscht, am Dienstag und Mittwoch dauerten die Gespräche jeweils bis in die Abendstunden an. »Die letzten Tage haben sehr deutlich gezeigt, dass es Sinn macht, dass wir weiter verhandeln und dass wir weiter sprechen«, sagte Loroch.
Die Bahn schärfte zum Abschluss der Verhandlungsrunde bei ihrem neuen Angebot an mehreren Stellen nach, die die Gewerkschaft vorab als besonders wichtig herausgestellt hatte: Die Laufzeit wurde von 27 auf 24 Monate gesenkt und für die unteren Lohngruppen zwölf statt zuvor zehn Prozent mehr Geld in Aussicht gestellt. Zudem wurde die erste Tabellenerhöhung noch in das laufende Jahr vorgezogen (statt März 2024). Die Gewerkschaft pochte zuletzt aber auch auf einer Festbetragserhöhung statt einem prozentualen Plus.
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