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SPD und Grüne pochen auf günstigeren Industriestrom

Viele Fabriken mit hohem Stromverbrauch haben in der Bundesrepublik ein Problem. SPD und Grüne wollen deswegen einen steuerfinanzierten Industriestrompreis. Die FDP hat andere Ideen.

Hochspannungsleitung
Die deutsche Wirtschaft beklagt seit geraumer Zeit, dass die vergleichsweise hohen Strompreise in der Bundesrepublik ein Standortnachteil seien. Foto: Julian Stratenschulte
Die deutsche Wirtschaft beklagt seit geraumer Zeit, dass die vergleichsweise hohen Strompreise in der Bundesrepublik ein Standortnachteil seien.
Foto: Julian Stratenschulte

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und SPD-Chef Lars Klingbeil haben sich offen dafür gezeigt, der Industrie mit günstigerer Energie zu helfen. In der Wirtschaft werde intensiv über einen Industriestrompreis geredet, sagte der Grünen-Politiker Habeck am Freitagabend dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Und ich denke, dass wir das machen müssen.« Das koste Geld, und dafür brauche es Einvernehmen in der Bundesregierung. Klingbeil plädierte in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« dafür, die Vergünstigungen schnell auf den Weg zu bringen. »Manche Leute reden vom Jahr 2030. Es geht aber um die nächsten zwölf Monate.«

Die deutsche Wirtschaft hatte schon vor der Energiekrise beklagt, dass die vergleichsweise hohen Strompreise in der Bundesrepublik ein Standortnachteil sind. Zudem wird der internationale Wettbewerb schärfer, etwa weil die USA Industrieansiedlungen mit Subventionen fördern. Finanziert werden soll günstigerer Industriestrom mit Steuergeld.

Aus der FDP kommt Skepsis. So sagte Finanzminister Christian Lindner zuletzt in einem Interview der »Wirtschaftswoche«, auf der einen Seite würden die Energiepreise durch politische Entscheidungen nach oben getrieben. Auf der anderen Seite sollten sie für einen Teil der Wirtschaft subventioniert werden. »Wo ist die Grenze? Was macht das für den Wettbewerb zwischen Industrie und Mittelständlern, die keinen Industriepreis bekommen? Wie viel Geld soll das beanspruchen?«

Der FDP-Chef plädiert für »marktwirtschaftliche Lösungen« wie langfristige Lieferverträge (power purchase agreements). Sie sollen einerseits dem Großabnehmer Preisgarantien und dem Erzeuger etwa von Windstrom Investitionssicherheit bieten.

Deckeln für die Zukunft

Habeck dagegen argumentierte, man verliere zwar Geld, wenn man die Preise deckele. »Aber wenn wir sie nicht deckeln, verlieren wir möglicherweise die Industrien der Zukunft.« Wichtige Technologien sollten nach seinen Worten nicht nur aus China oder den USA kommen. Er nannte für die Strompreishilfe einen Zeitraum von vier oder fünf Jahren.

Wie viel der Industriestrom in Deutschland kosten soll, ist noch unklar. Klingbeil sagte: »Ob das nun 5 oder 7 Cent pro Kilowattstunde sind, das muss man dann sehen.« Zum Vergleich: Viele Privatverbraucher zahlen inzwischen weit über 30 Cent.

Klingbeil schlug vor, die Hilfe für die Industrie aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds zu finanzieren. »In der Krise haben wir richtigerweise beschlossen, 200 Milliarden Euro für die Gas- und Strompreisbremse bereitzustellen. Das soll den Privathaushalten helfen, aber eben auch den Unternehmen.« Die Idee sei von Anfang gewesen, Bürger, aber auch die Arbeitsplätze in der Industrie sicher durch die Krise zu bringen.

Habecks Staatssekretär Patrick Graichen hatte angekündigt, in dieser Woche ein Konzept für einen Industriestrompreis vorzustellen. Er sprach von einem Preis von 5 oder 6 Cent je Kilowattstunde. Auch die Energieminister der Länder befürworten einen vergünstigten Industriestrompreis.

Zustimmung kam auch von Vertretern von Arbeitgebern und -nehmern. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, sagte: »Minister Habeck liegt richtig, wenn er die deutsche Industrie vor dem Ausbluten schützen will.« IG-Metall-Chef Jörg Hofmann argumentierte, ein international konkurrenzfähiger Strompreis für die energieintensive Industrie sei lange überfällig.

© dpa-infocom, dpa:230501-99-516538/2