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Spanien-Urlaub 2020: Sommer, Sonne, Strand und Schutzmaske

Der Corona-Hotspot Spanien bereitet sich intensiv darauf vor, wieder Millionen sonnenhungriger Urlauber zu empfangen. Der Tourismus ist für die wirtschaftliche Erholung von entscheidender Bedeutung. Eindrücke aus einem verstörten Land, das trotzdem hoffnungsfroh ist.

Spanien-Urlaub
Menschen sonnen sich am Strand von Arenal auf Mallorca. Foto: Clara Margais/dpa
Menschen sonnen sich am Strand von Arenal auf Mallorca. Foto: Clara Margais/dpa

BARCELONA. Mit großem Optimismus aber auch einem flauen Gefühl im Magen bereiten sich die Spanier auf die Wiedereröffnung des Landes für den Massentourismus am 1. Juli vor.

Werden sich die Urlauber nach den Schreckensmeldungen aus dem Corona-Hotspot wieder an die Strände und in die Tapasbars wagen? Fast überall im Lande, vor allem aber auf Mallorca, setzt man auf die Besucher aus Deutschland. »Für einen Deutschen ist eine Reise hierher nach Mallorca wie eine Reise im eigenen Land, man betrachtet das als nicht besonders risikoreich«, meinte der Chef des Interessensverbandes »Palma Beach«, Juan Miguel Ferrer.

Ferrer, dessen Vater Antonio Ende der 1970er Jahre im legendären »Köpi« an der Playa de Palma als erster Fassbier ausgeschenkt hat und deshalb als Gründer von »Bierstraße« und »Ballermann« gelten darf, wurde dieser Tage vom Fachportal »Hosteltur« mit der Aussage zitiert, er sehe online schon eine erste »Euphorie« aufkommen. Eine beträchtliche Zunahme der Buchungen werde aber vor allem für September verzeichnet, für Juli und August herrsche noch Ungewissheit, vor allem wegen der nicht abgeschlossenen Planungen der Airlines. Ferrers Motto lautet aber: »Die Saison mag noch so klein ausfallen, wir nehmen das mit, was wir mitnehmen können.«

Die Vorbereitungen laufen jedenfalls auf Hochtouren, nicht nur auf Mallorca, wo jeder Fünfte im Tourismus beschäftigt ist. Im ganzen Land werden die Ferienanlagen auf Vordermann gebracht, überall wird geschraubt, gemalt und geputzt. Nachdem das von der Pandemie besonders hart getroffene Land monatelang in Schockstarre verharrte, kann sich jetzt niemand Bedenken oder Zögern leisten. Immerhin trägt der Tourismus mehr als 12 Prozent zum Nationaleinkommen bei, in keinem europäischen Land ist der Anteil höher.

»Ich habe etwa 30.000 Euro durch die gut zweimonatige Zwangsschließung verloren«, sagt Adrián Caricart, Inhaber des Weinlokals »La Vella Lleteria« im Küstenort Premia de Mar bei Barcelona. »Auch wenn die Urlauber wiederkommen, lässt sich das nicht wiederaufholen, aber wenigstens können wir dann überleben«, sagt er stellvertretend für Hunderttausende Spanier, die vom Tourismus leben. Viele von ihnen verdienen in der Hauptsaison das Geld, mit dem sie den Rest des Jahres über die Runden kommen müssen.

Aber etwas unwohl ist Adrián auch, wenn er aus seinem Lokal auf die Tische der Restaurants und Cafés auf dem kleinen Platz gleich neben der Kirche schaut: Da sitzen die Einheimischen am frühen Abend fröhlich und lautstark noch unter sich, kaum einer hält Abstand und viele haben die Maske unterm Kinn baumeln. Auf »Malle«, in Madrid und in Lloret ist das derzeit nicht anders als in Premia. »Das wird schwer zu kontrollieren sein«, sagt Adrián und fährt sich mit der flachen Hand über den Kurzhaarschnitt.

Stichwort Kontrolle: Kaum ein Tag vergeht, an dem die Regierung und die Verbände nicht neue Regeln und Gebote aufstellen. So will der Touristenmagnet Barcelona die Strände künftig per Video überwachen. Eine App soll vor einer Überfüllung am Wasser warnen, viele Strände richten Abgrenzungen, Korridore und Kontrollpunkte für den Zugang ein. An den insgesamt 369 Stränden Mallorcas und der anderen Balearen-Inseln wird es allerdings bis auf Weiteres keine Abgrenzungen und keine besonderen Maßnahmen geben.

Wie wird man so die Sicherheit der Badegäste garantieren können?, wurde der balearische Tourismusminister Iago Negueruela von der Regionalzeitung »ARA Balears« gefragt. »Die Anzahl der Touristen, die kommen werden, wird sehr gering sein«, so der sozialistische Politiker. Man sei ja an viel höhere Zahlen gewohnt. In der Tat. Die meisten der 16,5 Millionen Urlauber, die 2019 auf den Inseln waren, werden dieses Jahr mit Sicherheit - noch - nicht wiederkommen.

Ähnlich sieht es Ferrer: »Ich kann mir an den Stränden hier keine Trennwände oder Besucherlimits vorstellen«. An der Playa de Palma habe man immerhin 6,5 Kilometer Sand. »Es gibt viel Platz für Social Distancing«. Wie an vielen anderen Orten werden Bademeister und Strandpolizisten aber auch darauf achten, dass die Grundbestimmungen eingehalten werden, in erster Linie der Sicherheitsabstand von zwei Metern zwischen Handtüchern und Sonnenschirmen. Und Schutzmaske überall dort, wo sich dieser Abstand nicht einhalten lässt. Die Zentralregierung kündigte am Wochenende an, dass das Maskentragen auch nach Ende des Notstands am 20. Juni Pflicht bleiben wird.

Neue Zahlen nähren Optimismus. Auf den Balearen gab es am Sonntag nur sieben neue Infektionen, keinen neuen Todesfall. Regionalpräsidentin Francina Armengol sagte am Sonntag, sie habe sich bei einer Videokonferenz mit Regierungschef Pedro Sánchez eingesetzt, dass Madrid grünes Licht für ein »Pilotprojekt« gibt, in dessen Rahmen die Balearen schon ab 21. Juni gut 5000 Touristen aus Deutschland empfangen wollen, um den »Ernstfall«, den erwarteten Ansturm von Touristen im Hochsommer unter Corona-Bedingungen, zu proben. In Palma und auch auf den Kanaren, die einen ähnlichen Antrag gestellt haben, hofft man, dass Sánchez schon in den nächsten Tagen einlenkt.

In Spanien gilt aber bei aller wirtschaftlicher Not »Safety first«. »Wir werden garantieren, dass die Touristen keine Risiken eingehen werden und auch, dass sie keine Risiken für uns verursachen«, so Sánchez kürzlich. Es gebe »keinen Konflikt zwischen Gesundheit und Geschäft«. »Der spanische Tourismus wird von nun an zwei Gütesiegel haben: Ökologische Nachhaltigkeit und sanitäre Sicherheit«, sagte er.

Aber viele Spanier glauben der Regierung nicht mehr. Die hohe Zahl von mehr als 27.000 Toten hat vielen Menschen die Schwächen des eigenen Landes vor Augen geführt. Und die lange und besonders drastische Einschränkung der Rechte hat das Land verstört. »Ich bin nicht mehr derselbe wie vor der Krise«, sagt Adrián. Irgendwie fühle er sich wie vergewaltigt. Wer zurzeit die spanische Anti-Coronapolitik zu verteidigen versucht, hat einen schweren Stand. (dpa)