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Sorgt Corona für Nachsicht beim Finanzamt?

Grüne Wochen beim Finanzamt? So mancher Arbeitnehmer wünscht sich, dass die Beamten bei der Steuererklärung in diesem Jahr nicht so genau hinschauen. Könnte sein, sagt die Gewerkschaft. Doch für viele könnte die Pandemie steuerlich eher Nachteile haben.

Homeoffice
Dass normale Arbeitnehmer wegen der Corona-Krise in diesem Jahr zuhauf mit Schummeleien bei der Steuererklärung durchkommen, ist unwahrscheinlich. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Dass normale Arbeitnehmer wegen der Corona-Krise in diesem Jahr zuhauf mit Schummeleien bei der Steuererklärung durchkommen, ist unwahrscheinlich. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN. Viele Bürger haben ihre Steuererklärung in diesem Jahr besonders früh eingereicht - weil sie ungewohnt viel Zeit hatten, vor allem wohl aber, weil in der Corona-Pandemie jeder Cent Erstattung dringend gebraucht wird.

Trotzdem steht den Finanzämtern die heiße Phase noch bevor, denn am 31. Juli endet die Frist zur Abgabe der Steuererklärung für 2019.

Viele Finanzbeamten arbeiten selbst noch im Homeoffice. Drücken sie wegen der schwierigen Bedingungen jetzt hier und da ein Auge zu? Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, hält das durchaus für möglich. »Es kann sein, dass wir im Herbst nicht mehr jede Kleinigkeit beanstanden, dass wir die Ampel nach den Ferien häufiger auf «grün» schalten«, sagte er dem Nachrichtenportal »t-online«.

Dass normale Arbeitnehmer in diesem Jahr zuhauf mit Schummeleien bei der Steuererklärung durchkommen, ist trotzdem unwahrscheinlich. Bei den einfachen Fällen erwarte er kaum Verzögerung, sagte Eigenthaler. Der Gewerkschaftsboss, der an die 80.000 Beschäftigte der Finanzverwaltung vertritt, spricht eher von den komplizierten Fällen. Bilanzen wälzen, Nebeneinkünfte prüfen, all das dauere Zeit.

Zugleich aber sind die Finanzbeamten mit Steuer-Stundungen und anderen Corona-Regelungen beschäftigt. »Wir wollen keine Bugwelle an Steuererklärungen vor uns herschieben«, betonte Eigenthaler. »Deshalb müssen wir uns genau überlegen, was wir prüfen - und was nicht.«

Beim Finanzministerium kommt Nachsicht in Steuerfragen nicht gut an. »Wir gehen davon aus, dass die Finanzämter die Steuererklärungen in dem Umfang prüfen, wie es gesetzlich vorgesehen ist«, betonte eine Sprecherin am Mittwoch. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass sie wegen der Pandemie nicht arbeitsfähig seien.

Tatsächlich prüfen die Finanzämter auch in guten Zeiten lange nicht jede Steuererklärung auf Herz und Nieren. 10 bis 15 Prozent werden laut Eigenthaler vollautomatisch bearbeitet, ohne dass sie je ein Finanzbeamter in die Finger bekommt. Ziel ist es, diese Quote auf 50 Prozent zu steigern. Dafür jedoch »müsste der Gesetzgeber öfter Fünfe gerade sein lassen, was aber nicht meine Zustimmung findet«, sagte Eigenthaler.

Zahlreiche weitere Steuererklärungen, meist einfache von normalen Arbeitnehmern ohne hohe Sondereinkünfte, werden lediglich auf Plausibilität geprüft. Hier fallen große Abweichungen zum Vorjahr auf - wenn etwa die Kilometerpauschale stark steigt, obwohl Arbeits- und Wohnort gleich bleiben. Lediglich eine Stichprobe und ausgewählte Sonderposten werden eingehend unter die Lupe genommen.

Insgesamt könnte die Bearbeitung in diesem Jahr etwas länger dauern, warnten einzelne Finanzämter schon im April - zu wenig Personal und zu viele zusätzliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Krise. Im Gegenzug sind die viele Ämter auch kulanter bei Stundungen und Verspätungszuschlägen.

Im kommenden Jahr dagegen dürfte die Steuererklärung für viele komplizierter werden - vor allem für all diejenigen, die gerade vom Küchentisch, vom Kinderschreibtisch oder aus dem Heim-Arbeitszimmer arbeiten. Die Kilometerpauschale für den Weg zur Arbeit falle für die Zeit des Homeoffice natürlich weg, sagte Eigenthaler. Wer im Gegenzug hofft, seinen Heimarbeitsplatz steuerlich absetzen zu können, wird oft leer ausgehen. Anerkannt wird dieser derzeit nur, wenn der Raum so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird - ein Schreibtisch im Wohn- oder Schlafzimmer zählt nicht, genauso wenig der Esstisch in der Küche. »So große Wohnverhältnisse haben viele gar nicht«, beklagte der Gewerkschaftschef.

Eigenthaler hält deshalb - ähnlich wie der hessische Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) - eine Homeoffice-Pauschale für richtig. 600 Euro pauschal von der Steuer abzuziehen sei »eine sinnvolle Idee«. »Denn wenn wir im Finanzamt jetzt anfangen, die Kilometerpauschale zu kürzen, im Gegenzug aber nichts anbieten, bringt das nur Ärger.«

Das Finanzministerium hat eine solche Pauschale bisher noch nicht auf dem Zettel. Der Bund der Steuerzahler dagegen hält sogar 100 Euro im Monat, also bis zu 1200 Euro im Jahr, für angemessen. »Auch diejenigen, die nur eine provisorisch eingerichtete Arbeitsecke haben oder am Küchentisch tätig werden und ihre Firma am Laufen halten, sollten hier eine steuerliche Anerkennung bekommen«, forderte Verbandspräsident Reiner Holznagel. Ein Foto vom Arbeitsplatz müsse den Finanzämtern genügen.

Welche Zusatzkosten die Arbeit im Homeoffice verursacht, überblicken viele Arbeitnehmer noch gar nicht. Sie müssen mit höheren Stromrechnungen rechnen. Die Nutzung privater Computer, den Internetzugang, Telefonkosten, höhere Parkplatzkosten, all diese Aufwendungen sollten Heimarbeiter im kommenden Jahr über die Pauschale abrechnen, fordert der Steuerzahlerbund. Was dann auch die Finanzämter entlasten würde, die nicht massenweise Telefonrechnungen und Arbeitszimmer prüfen müssten. (dpa)

Interview Steuergewerkschaft

FAQ Finanzministerium zu Corona und Steuern