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Sorge um Agrarmärkte - Bauern können mehr Flächen nutzen

Das Landschaftsministerium will die möglichen Folgen des Kriegs für die Bauern mit einer Ausnahmegenehmigung kompensieren. Mehr als eine Million Hektar sollen für Tierfutteranbau genutzt werden.

Maisernte in Brandenburg
Ernte auf einem Feld eines Landwirtschaftsbetrieb: Der Mais wird sowohl für Biogasanlagen als auch als Tierfutter angebaut. Foto: Patrick Pleul
Ernte auf einem Feld eines Landwirtschaftsbetrieb: Der Mais wird sowohl für Biogasanlagen als auch als Tierfutter angebaut.
Foto: Patrick Pleul

Der Ukraine-Krieg schlägt zusehends auf die globalen Agrarmärkte durch. Preissprünge und drohende Exportausfälle bei Getreide rücken die Ernährungssicherheit in einigen Weltregionen in den Blick.

Um Mehrkosten bei Tierfutter abzumildern, sollen die deutschen Bauern zusätzliche Flächen nutzen können. Bundesagrarminister Cem Özdemir setzt zugleich weiter auf ein Umsteuern unter anderem zu mehr Klimaschutz: »Wir können es uns nicht leisten, dass wir jetzt andere Krisen ausblenden, die schon heute für Hungersnöte auf der Welt sorgen.«

Als erste Unterstützung für deutsche Landwirte sollen in diesem Jahr ausnahmsweise bestimmte »ökologische Vorrangflächen« zur Futtergewinnung freigegeben werden, wie das Ministerium am Freitag mitteilte. Normalerweise müssen Gras und andere Pflanzen dort für die Bodenverbesserung untergepflügt werden und dürfen nicht genutzt werden. Insgesamt handelt es sich um gut eine Million Hektar. Gefördert werden sollen auch Programme für mehr regional erzeugte Futtermittel und für mehr erneuerbare Energien in der Landwirtschaft.

EU-Finanzierung soll auf den Prüfstand

Der Krieg führe »die verletzlichen Stellen unseres Agrarsystems vor Augen«, so Özdemir. Es gehe nun um schnelle Hilfen und darum, die Landwirtschaft insgesamt weniger krisenanfällig aufzustellen. Die Klimakatastrophe und das Artensterben seien Probleme, die gelöst werden müssten. »Alles, was wir heute aufschieben, rächt sich morgen doppelt und dreifach«, sagte der Grünen-Politiker. Wem Nahrungssicherung ein Anliegen sei, der schütze die Ressourcen, die die Landwirtschaft brauche, um gut und ausreichend zu produzieren.

Die Krise hat auch eine Debatte über den Kurs der Landwirtschaft ausgelöst. FDP-Fraktionsvizechefin Carina Konrad forderte: »Der Aspekt der Ernährungssicherheit muss jetzt wieder ins Zentrum der Agrarpolitik gerückt werden.« Unter anderem müssten geplante Regelungen der neuen EU-Agrarfinanzierung auf den Prüfstand, mit denen Fläche aus der Produktion genommen werde. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte eine Verkleinerung der Tierbestände. Auf einem Großteil der deutschen Landwirtschaftsfläche würden nicht Nahrungsmittel für Menschen, sondern Futter für die Tiermast produziert.

Auch in deutschen Supermärkten wird es teurer

Özdemir bekräftigte: »Die Versorgung in Deutschland mit Lebensmitteln ist sichergestellt. Wer anderes behauptet, handelt gegen die Fakten - und politisch verantwortungslos.« Mit Blick auf andere Weltregionen wachsen aber Sorgen um die Ernährungssicherung. Falls es zu großen Export-Einschnitten kommt und die Preise steigen, droht Millionen Menschen Unterernährung, wie die Welternährungsorganisation deutlich machte. Besonders betroffen wären der asiatisch-pazifische Raum, Länder südlich der Sahara, der Nahe Osten und Nordafrika. Rund 50 Länder seien auf Weizen aus der Ukraine oder Russland angewiesen.

Die sieben führenden Industrienationen (G7) setzen sich vor diesem Hintergrund für weiter offene Agrarmärkte ein. Es sei wichtig, sie nicht etwa mit Exportbeschränkungen zu behindern, sagte Özdemir nach einer Videokonferenz mit seinen Amtskollegen im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft. Zudem sollten Hilfsorganisationen unterstützt werden, weiter Getreide kaufen und verteilen zu können.

Lebensmittel dürften auch in Deutschland teurer werden. »Wir gehen davon aus, dass dieser Krieg die Preise noch weiter steigen lässt«, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der »Augsburger Allgemeinen«. Bei Düngemitteln komme es zu ersten Engpässen. Die Preise seien sehr hoch und würden wohl weiter steigen. Hintergrund ist, dass für die Herstellung von Stickstoffdünger Erdgas benötigt wird. Özdemir machte deutlich, dass die Bundesregierung die Entwicklung beobachtet. Er äußerte sich aber nicht zu möglichen weiteren Entlastungen für Verbraucher. Priorität hätten das Leid der Menschen in der Ukraine und der Kampf gegen Hunger in der Welt.

© dpa-infocom, dpa:220311-99-480091/6