Angesichts der vielen Kriege und neuen Konfliktszenarien rund um die Welt rücken zwei von Europas großen Rüstungskonzernen zum Bau einer neuen Generation von Panzern zusammen. Der deutsche Konzern Rheinmetall und die italienische Waffenschmiede Leonardo hoben dazu in Rom ein gemeinsames Unternehmen aus der Taufe. Als erster Großauftrag winkt eine Bestellung der italienischen Armee über 23 Milliarden Euro. Erklärtes Ziel ist aber, auch die Streitkräfte anderer Länder mit Kampfpanzern und Schützenpanzern zu bestücken - in Europa und darüber hinaus.
An dem neuen Unternehmen namens Leonardo Rheinmetall Military Vehicles (LRMV) halten beide Konzerne jeweils 50 Prozent. Die Firma hat ihren Hauptsitz in Rom. Das operative Geschäft wird jedoch in der norditalienischen Hafenstadt La Spezia angesiedelt, wo Leonardo schon ein großes Werk hat. Vereinbart wurde, dass 60 Prozent der Aktivitäten in Italien liegen. Mit der Genehmigung durch die Behörden wird bis Anfang 2025 gerechnet. Ursprünglich wollte Leonardo mit dem Rheinmetall-Konkurrenten KNDS zusammenarbeiten. Bei den Verhandlungen kam es aber zum Bruch.
»Neues Schwergewicht im europäischen Panzerbau«
Rheinmetall-Chef Armin Papperger lobte die Vereinbarung in höchsten Tönen. »Wir schaffen ein neues Schwergewicht im europäischen Panzerbau«, sagte der Manager. In vielen Ländern gebe es in diesem Bereich beim Militär erheblichen Modernisierungsbedarf. Mittelfristig müssten mehrere Tausend alte Panzer ersetzt werden, gerade in Osteuropa. Als weitere potenzielle Absatzmärkte nannte er die USA, den Nahen Osten und Australien. MIttelfristig soll die Zusammenarbeit auch über den Bau von Panzern hinausgehen.
Leonardo-Chef Roberto Cingolani sagte, Europas Rüstungskonzerne seien einzeln zu klein, um gegen »Giganten« aus den USA oder China zu bestehen. Dies sei nun ein erster Schritt für ein konzeptionell neues Verteidigungssystem auf europäischer Ebene. Beide Firmenchefs traten Spekulationen entgegen, dass mit LRMV Konkurrenz für das gemeinsame deutsch-französische Konzept Main Ground Combat System (MGCS) entsteht, das in fernerer Zukunft den Leopard aus Deutschland und den Leclerc aus Frankreich ablösen soll.
Auftragsbücher voll wie nie
Zunächst einmal geht es nun um die baldige Belieferung des italienischen Heers, das ältere Modelle ausmustern will. Basis für den Kampfpanzer soll der von Rheinmetall entwickelte Panther sein, der bislang noch keine Serienreife hat. Grundlage für die kleineren Schützenpanzer soll das Rheinmetall-Modell Lynx sein. Cingolani stellte eine Lieferung binnen zwei bis drei Jahren in Aussicht. Mit KNDS (ehemals auch Kraus-Maffei Wegmann) hätte dies nach seiner Auskunft länger gedauert, mindestens fünf Jahre.
Leonardo entstand aus dem früheren Staatsbetrieb Finmeccanica. Der italienische Staat ist noch heute größter Einzelaktionär. Mit mehr als 50.000 Beschäftigten machte Leonardo zuletzt einen Jahresumsatz von mehr als 15 Milliarden Euro. Die Italiener sind auch am Bau der Kampfjets F-35 und Eurofighter beteiligt. Rheinmetall ist Deutschlands größter Rüstungskonzern, mit einem Umsatz von 7,2 Milliarden Euro bei 34.000 Beschäftigten. Die Auftragsbücher der Düsseldorfer sind infolge des Ukraine-Kriegs voll wie noch nie.
Europäische Konzerne im weltweiten Vergleich hinten
Der Schulterschluss der beiden nationalen Größen ist nach Einschätzung eines Branchenkenners, der namentlich nicht genannt werden will, ein weiterer Schritt weg von einem rein nationalen Denken in der Verteidigungsindustrie. »In Europa mögen Rheinmetall und Leonardo groß sein. Global gesehen sind sie es nicht«, sagt der Fachmann. Unter den zehn größten Rüstungskonzernen der Welt sei nur einer aus Europa: die britische BAE Systems, also kein einziger aus einem EU-Land.
Nach einer Liste des Statistischen Bundesamts lag Rheinmetall vergangenes Jahr weltweit auf Platz 20. Weltmarktführer Lockheed Martin aus den USA machte umgerechnet rund 62 Milliarden Euro Umsatz. Leonardo lag auf Platz 14. »Um auf Dauer in der Weltliga erfolgreich zu sein, brauchen wir größere europäische Rüstungskonzerne«, sagt der Branchenkenner. Die Kooperation von Leonardo und Rheinmetall sei ein Beispiel, wie man bessere Karten haben könnte.
Für eine andere Rüstungsschmiede ist der Schulterschluss zwischen Düsseldorf und Rom allerdings eine schlechte Nachricht: für KNDS, das aus dem Zusammenschluss der Münchner Traditionsfirma KMW und dem französischen Rüstungsunternehmen Nexter hervorging. Aus der geplanten Lieferung von 132 Kampfpanzern an Italien wird nun nichts. KNDS hatte im Juni eine neue Version seines Kampfpanzers Leopard präsentiert, dem der Panther jetzt Konkurrenz macht.
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