Der befürchtete Lieferstopp von russischem Erdgas nach den Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 bringt die bereits beschleunigten Pläne für deutsche LNG-Terminals unter zusätzlichen Zeitdruck.
In Wilhelmshaven sind die Bauarbeiten zur Anbindung einer Anlage angelaufen, die möglichst ab Dezember verflüssigtes Erdgas (LNG) aufnehmen soll. Für Brunsbüttel in Schleswig-Holstein ist laut Bundeswirtschaftsministerium ein Betriebsbeginn Anfang 2023 angepeilt. Bei den Schiffskapazitäten gebe es aktuell keinen Grund zur Sorge, hieß es in Berlin. Festlegungen auf weitere Terminalstandorte gibt es bisher aber noch nicht.
Appell an Bund: Schnell Entscheidungen treffen
Niedersachsens Energieminister Olaf Lies appellierte an den Bund, die ausstehenden Entscheidungen nun so rasch wie möglich zu treffen. »Ich bin absolut sicher, dass wir genügend Gas haben werden, wenn es auch ausreichende Kapazitäten für die Aufnahme und Weiterleitung gibt«, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. »Daher die Bitte: Wir brauchen Klarheit für alle nötigen Anlagen. Es führt kein Weg daran vorbei, diese Terminals schnell zu bauen.«
Für Wilhelmshaven hat der Uniper-Konzern die Baugenehmigung des Gewerbeaufsichtsamts Oldenburg. Eine weitere zunächst schwimmende Anlage zum Zwischenspeichern und Wiederverdampfen des Gases, die bis zur Errichtung fester Terminals an Land übergangsweise eingesetzt werden, soll neben Brunsbüttel nach Stade kommen. Auch Ostseehäfen in Mecklenburg-Vorpommern sollen mit im Rennen sein. Lies hofft zudem auf eine zweite Anlage für Wilhelmshaven. Charterzusagen gibt es nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums für vier Schwimmterminals.
Dreht Putin bald den Gashahn zu?
»In Stade ist eigentlich alles klar, wir könnten dort morgen Material bestellen«, so Lies. Dann wäre wohl ein Betriebsbeginn im dritten Quartal 2023 zu schaffen. »Jede Woche, die sich der Bund schwertut mit einer Entscheidung, ist eine Woche mehr, die wir verlieren.«
Es wird damit gerechnet, dass Russland seine Lieferungen via Pipeline noch im Juli einstellen könnte. Die Bundesregierung dämpfte jedoch Befürchtungen, dass wegen fehlender Spezialtanker und langfristiger Verträge mit anderen Abnehmern die LNG-Mengen zu gering sein könnten. Gespräche mit Gashändlern legten nahe, dass »die LNG-Lieferungen einschließlich der notwendigen Transporte nach Deutschland und zu LNG-Anlandungsterminals in angrenzenden EU-Ländern gesichert« seien, sagte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Die »Bild«-Zeitung hatte unter Berufung auf Einschätzungen von Reedern und Ökonomen berichtet, es gebe Zweifel, ob der nötige Umfang der Liefermengen gewährleistet ist. Aus Habecks Ressort hieß es: »Es kommt nicht darauf an, dass es sich um deutsche Tanker handelt, denn es ist ein internationaler Markt.« Auch treffe derzeit vertraglich ungebundenes LNG ein. Dies stamme aus Kurzfrist-Einkäufen.
Olaf Lies drückt aufs Tempo
Lies wies darauf hin, dass nicht nur das Tempo in der Zulassung der Terminals selbst, sondern auch bei deren Anschluss ans überregionale Gasverteilungsnetz hoch sein müsse. Bei Wilhelmshaven etwa entsteht eine neue Verbindungsleitung dafür. Letztlich sei der Gasnetzausbau in Deutschland genauso wichtig wie das Finden neuer Lieferanten und der Aufbau von LNG-Importkapazitäten. Lies unterstützte Vorschläge, ein Umlagesystem ähnlich der Ökostrom-Finanzierung einzurichten, um Mehrkosten einigermaßen gleichmäßig zu verteilen. »Wir brauchen eine feste Umlage, die alle zahlen. Sonst würden Kunden mit wenig Einkommen oder mit besonders hohem Gasverbrauch erschlagen. Insofern ist das Modell absolut richtig.«
Mehrere der geplanten LNG-Terminals stoßen bei Umweltschützern nach wie vor auf Bedenken. Uniper sicherte zu, dass in Wilhelmshaven alle umweltrechtlichen Untersuchungen wie vorgeschrieben ablaufen sollen - unabhängig vom hohen Zeitdruck. »Höhere Geschwindigkeit heißt nicht mangelnde Qualität«, sagte der für die Investitionsplanung zuständige Manager Holger Kreetz der dpa.
© dpa-infocom, dpa:220706-99-927036/3