Aus 180 Metern Höhe wirkt Frankfurt wie eine Modelllandschaft. Winzig selbst mehrstöckige Häuser, dazwischen hereingewürfelt Autos und Bäume, die S-Bahnen fahren hindurch wie Märklin-Züge. Aus dem 47. Stock des Grand Towers, Deutschlands höchstem reinen Wohnturm, ist der Blick auf die Stadt ein anderer.
Dort wird eine Penthouse-Wohnung renoviert über zwei Stockwerke, mit bodentiefen Fenstern, Dachterrasse und ganz sicher unverbaubarem Blick. »Nur die feinsten Materialien kommen hier zum Einsatz«, sagt Jerzy Behnke, der als Projektleiter bei gsp Städtebau den Bau des Grand Tower betreut hat. Preis der Wohnung: rund 8 Millionen Euro.
Luxus hat seinen Preis
Der Grand Tower nahe der Frankfurter Messe habe unterm Strich rund 250 Millionen Euro gekostet, berichtet Behnke. Er bietet rund 450 Wohnungen in allen Größen - und Bewohnern viele Annehmlichkeiten, darunter eine Lobby mit Sofa-Lounge und Kamin, Concierge, Dachterrasse und Gemeinschaftsküche in Edelvariante.
So viel Luxus hat seinen Preis. Zwischen 20 und 30 Euro Miete je Quadratmeter werden laut dem Makler Jones Lang LaSalle (JLL) für Wohnungen im Grand Tower fällig, je nach Höhe, Ausstattung und Möblierung. Der Kaufpreis für eine Wohnung mit 90 Quadratmetern lag zuletzt laut Webseite bei gut 1,8 Millionen Euro, rund 20.000 Euro je Quadratmeter. JLL zufolge ist der Turm dennoch fast voll vermarktet.
Früher standen Wohntürme für soziale Brennpunkte am Stadtrand. Im Immobilienboom aber entstanden Luxusprojekte wie der Grand Tower und der neue Henninger Turm in Frankfurt oder der Pandion le Grand in Düsseldorf. Städte seien offener geworden für Wohntürme, sagt André Adami, Bereichsleiter Wohnen bei der Immobilienberatungsfirma Bulwiengesa. »Sie haben auch erkannt, dass Wohntürme mit ihrer geringen Fläche bei der Nachverdichtung helfen können.«
Rauere Zeiten
Doch mit dem Ukraine-Krieg, den gestiegenen Zinsen und Baupreisen hat sich der Immobilienboom abgekühlt - Investoren sind nervös. Schwierige Bedingungen also für neue Wohntürme: »Alles was noch nicht im Bau ist, wird geschoben in der Hoffnung auf bessere Zeiten«, sagt Adami. Banken schauten bei der Finanzierung von Wohntürmen genau hin und forderten hohe Quoten bei Vorabvermietung oder Verkauf. »Gerade der Ukraine-Krieg sorgt für enorme Unsicherheit«, sagt Behnke. Die Immobilienbranche müsse sich erst auf die raueren Zeiten einstellen.
Immerhin richten sich Wohntürme an eine Zielgruppe, die höhere Preise am ehesten verkraften kann. Meist sind das Geschäftsleute, die nun ein paar Jahre in der Stadt leben, reiche Ausländer etwa aus Asien, die ihr Geld in Zweitwohnungen investieren, aber auch wohlhabende Deutsche. »Manche Leute kaufen eine Apartment in Wohntürmen für ihre Kinder und zahlen in Cash«, sagte Jennifer Panten, Senior Key Account Managerin bei JLL. Das Unternehmen vermarktet den Grand Tower und auch den nahen Eden Tower, der mit seiner begrünten Fassade auffällt und neben Concierge auch ein Fitnessstudio für die Bewohner bietet.
Im nervösen Immobilienmarkt zähle hochwertiger Wohnraum zu den wenigen Segmenten, die derzeit noch funktionierten, sagt Panten. So sei der Eden Tower, der im Frühjahr 2023 fertiggestellt werden soll, zu über 80 Prozent vermarktet, inklusive drei Penthouse-Wohnungen.
Urbane Zielgruppen
In Deutschland, wo viele Menschen mit dem Traum vom Eigenheim ein freistehendes Haus mit Garten verbinden, ist das Leben im Turm allerdings gewöhnungsbedürftig: Der Blick von oben mag spektakulär sein, doch auf dem Balkon im 25. Stock kann es ziemlich zugig sein. Leute mit Höhenangst sind dort ohnehin fehl am Platz. »Wohntürme sprechen urbane Zielgruppen an, die das aus ihren Heimatländern wie den USA, Asien und den arabischen Staaten kennen«, sagt Adami.
Aber auch manche Zielgruppen halten sich am Immobilienmarkt zurück. »Russisches Geld fehlt mit dem Ukraine-Krieg und der chinesischen Wirtschaft geht es schlechter«, sagt Adami. »Dafür erwarten wir eine stärkere Nachfrage aus den USA, da der Dollar hoch steht.«
Nicht ganz billig
Viele Projekte in Deutschland sind 30 bis 60 Meter hoch, gemessen an Wolkenkratzern im arabischen Raum also Winzlinge. Hochhäuser ab 100 Metern bleiben die Ausnahme - auch weil Wohntürme teuer sind: Mit der Höhe steigen die Kosten für Statik, Energieversorgung und Sicherheit. Tragende Bauteile müssen Bränden lange widerstehen, Fundamente zum Erdbebenschutz tief in die Erde tragen und Aufzüge schnell sein.
»Wohntürme sind im Bau oft komplexer und teurer als gedacht«, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School Bochum. Ob Planung, Genehmigung oder Vermarktung - alles sei aufwendiger als bei üblichen Gebäuden. »Der Hype um Wohntürme hat sich gelegt«, meint Vornholz. Für neue Projekte sieht er derzeit angesichts der gestiegenen Baupreise und Zinsen »kaum eine Chance«.
Auch sind auffällig viele Wohntürme schon zu Dauerbaustellen geworden. Beim »Alexander Tower« am Berliner Alexanderplatz gab es erhebliche Bauverzögerungen, er soll nun Ende 2024 fertig werden, hieß es jüngst. Beim »Upper Nord Tower« in Düsseldorf ging es zuletzt ebenfalls kaum voran. Der 107 Meter hohe »Schwabenlandtower« in Fellbach nahe Stuttgart, der beim Spatenstich 2014 Gewa-Tower hieß, befand sich nach etlichen Turbulenzen jahrelang im Rohbau. Hinter dem Projekt steht nun der Immobilienkonzern Adler, der selbst in die Krise geraten ist. Geplantes Datum der Fertigstellung: Ende 2024.
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