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Lindner sieht subventionierten Industriestrompreis kritisch

Hohe Energiepreise sind ein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Doch was tun? Eine Antwort: Den Strompreis für die Industrie mit Steuergeld vergünstigen. Finanzminister Lindner hat Vorbehalte.

Bundesfinanzminister Lindner
Christian Lindner (FDP) hält nicht viel von einem Industriestrompreis. Foto: Kay Nietfeld
Christian Lindner (FDP) hält nicht viel von einem Industriestrompreis.
Foto: Kay Nietfeld

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Vorbehalte gegen einen staatlich subventionierten günstigeren Strompreis für die Industrie. Auf direkte staatliche Hilfen zu setzen sei »ökonomisch unklug« und widerspreche den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, schrieb der FDP-Politiker in einem am Dienstag veröffentlichten Gastbeitrag für das »Handelsblatt«. Den von SPD und Grünen angedachten Industriestrompreis sehe er deshalb »sehr kritisch«.

Grüne und SPD befürworten einen Industriestrompreis. Wirtschafts-Staatssekretär Patrick Graichen hatte ein Konzept dafür für die laufende Woche angekündigt. Daran werde noch gearbeitet, teilte das Ministerium am Dienstag auf Anfrage mit. »Wann das Konzept vorgestellt wird, kann ich aktuell noch nicht genau sagen.«

Industriestrom für 5 oder 6 Cent je Kilowattstunde

Die deutsche Wirtschaft hatte schon vor der Energiekrise beklagt, dass die vergleichsweise hohen Strompreise in der Bundesrepublik ein Standortnachteil sind. Zudem wird der internationale Wettbewerb schärfer, etwa weil die USA Industrieansiedlungen mit Subventionen fördern. Finanziert werden soll günstigerer Industriestrom mit Steuergeld.

Wie viel der Industriestrom in Deutschland kosten soll, ist noch unklar. Graichen hatte von 5 oder 6 Cent je Kilowattstunde gesprochen. Zum Vergleich: Viele Privatverbraucher zahlen inzwischen weit über 30 Cent.

»Klar ist: Die Energiepreise müssen sowohl für private Stromkunden wie auch für die Industrie bezahlbar bleiben. Extrem teure Subventionen sind dafür aber aus mehreren Gründen der falsche Weg«, erklärte Lindner. So gebe es Probleme mit der Verteilungsgerechtigkeit. »Die Privilegierung von Industrieunternehmen wäre wohl nur auf Kosten anderer Stromverbraucher und Steuerzahler umsetzbar, zum Beispiel von Privathaushalten oder des Handwerks.« Zudem gebe es im ohnehin angespannten Haushalt keinen Spielraum für solche Subventionen.

Lindner bevorzugt Investitionskostenzuschüsse

Lindner warnte auch vor falschen Preissignalen. »Die betroffenen Betriebe hätten beispielsweise über zehn Jahre keine Anreize, auf Preise zu reagieren und stromintensive Prozesse zum Beispiel dann einzutakten, wenn Strom gut verfügbar und günstig ist.« Außerdem sei schwer zu entscheiden, wer genau von einem Industriestrompreis profitieren solle.

Der Finanzminister plädierte stattdessen für Investitionskostenzuschüsse. Auch eine Reform der Strom- und Energiesteuern solle erwogen werden. »So würden wir alle Stromkunden entlasten, ohne direkt in den Markt einzugreifen.« Linder schrieb zudem, dass er an einem Gesetzespaket arbeite, das Anreize für Innovationen und Erneuerung setze.

Kanzler Olaf Scholz hatte sich bei einer Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Montag in Koblenz skeptisch geäußert. Billiger Strom sei wichtig, betonte der SPD-Politiker zwar. Es sei aber auf Dauer nicht möglich, »alles was an normaler wirtschaftlicher Tätigkeit stattfindet, zu subventionieren«, sagte Scholz. Da, wo es bereits jetzt viel Windstrom und Solarenergie gebe, könne man theoretisch bereits ohne Subventionen einen Strompreis von 7 oder 8 Cent kalkulieren. Das müsse man nun für ganz Deutschland hinkriegen. Dafür müsse man dafür sorgen, dass der Strom durch überregionale Stromleitungen auch in den Süden und Westen Deutschlands komme.

Priorität habe die günstige Produktion von Strom, betonte Scholz. »Und dann kann man gucken, was man vielleicht für die Übergangsphase justieren kann. Aber ich bin dafür, dass wir das erstmal genau angucken.«

Der Verein »Die Familienunternehmer« erklärte, ökonomischer wäre eine Ausweitung des Stromangebots mit einer verlängerten Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke gewesen. »Wegen der immensen Kosten dürfte nur ein Bruchteil der Industrie bedacht werden, was dramatische Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des Mittelstandes und der industriellen Familienunternehmen nach sich zöge«, warnte Präsidentin Marie-Christine Ostermann.

Der Chef der Industriegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, warnte vor Abwanderung von Unternehmen. »Wir fordern einen einheitlichen Industriestrompreis, um dies zu verhindern«, sagte Vassiliadis dem Nachrichtenportal »The Pioneer«. »Im Gegenzug müssen sich die Unternehmen zu klimagerechter Transformation, Standort- und Beschäftigungsgarantien verpflichten.« Erfolgreiche Unternehmen sollten zudem an den Kosten für einen Industriestrompreis beteiligt werden.

© dpa-infocom, dpa:230502-99-531592/5