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Lage im Wohnungsbau verschärft sich

Warnende Worte vom Ifo-Institut: »Einigen Betrieben steht das Wasser bereits bis zum Hals«. Gestiegene Baukosten und deutlich höhere Zinsen machten vielen Unternehmen zu schaffen.

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»Aktuell melden 11,9 Prozent der Unternehmen im Wohnungsbau Finanzierungsschwierigkeiten. Das ist der höchste Wert seit über 30 Jahren«, teilt das Ifo-Institut mit. Foto: Thomas Banneyer/DPA
»Aktuell melden 11,9 Prozent der Unternehmen im Wohnungsbau Finanzierungsschwierigkeiten. Das ist der höchste Wert seit über 30 Jahren«, teilt das Ifo-Institut mit.
Foto: Thomas Banneyer/DPA

Der Wohnungsbau in Deutschland steuert auf einen gefährlichen Kreislauf zu: Wegen des aktuellen Einbruchs der Bautätigkeit berichtet eine steigende Zahl von Baufirmen über finanzielle Schwierigkeiten, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag meldete. Schrumpfen erst einmal die Kapazitäten der Branche, würde das nach Einschätzung des Ifo-Konjunkturexperten zum Hemmnis für eine künftige Wiederbelebung werden.

»Die Stornierungen im Wohnungsbau türmen sich zu einem neuen Höchststand auf«, sagte Wohlrabe. Im August berichteten demnach 20,7 Prozent der Baufirmen über stornierte Aufträge, 44,2 Prozent der Unternehmen meldeten fehlende Neuaufträge.

Verunsicherung im Markt ist riesig

»Seit Beginn der Erhebung 1991 haben wir noch nichts Vergleichbares beobachtet. Die Verunsicherung im Markt ist riesig«, sagte Wohlrabe zu den Stornierungen. »Das ist bitter: Denn jede Wohnung, die heute nicht beauftragt wird, steht morgen nicht zur Verfügung«, kommentiert Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Für das kommende halbe Jahr befürchteten die Unternehmen mehrheitlich weitere Geschäftsrückgänge. »Wenn sich das noch länger hinzieht und viele Firmen aus dem Markt ausscheiden, weil sie pleite gehen, würden anschließend sogar bei guten Rahmenbedingungen die Kapazitäten fehlen, um die Wohnungsbauziele zu erreichen«, sagte Ifo-Wissenschaftler Wohlrabe. »Das ist ein mittelfristiges Risiko.«

Demografischer Knick macht Baubranche zu schaffen

Wie andere Wirtschaftszweige auch ist die deutsche Baubranche in diesem Jahrzehnt mit einem demografischen Knick konfrontiert, weil viele ältere Arbeitnehmer in Rente gehen. Je schlechter die Lage auf dem Bau, desto geringer voraussichtlich die Neigung zur Einstellung neuen Personals - und damit die Kapazitäten in der Zukunft.

Ziel der Bundesregierung sind 400.000 neue Wohnungen im Jahr. Dies war nach übereinstimmenden Schätzungen schon bisher in weiter Ferne. Doch könnte es noch schlimmer kommen: »Wir werden in diesem Jahr noch rund 240.000 Wohnungen fertigstellen, weil wir die Auftragsbestände abarbeiten«, schätzt Bauindustrie-Hauptgeschäftsführer Müller. »Die große Delle erwarten wir im kommenden Jahr, da droht der Sturz weit unter 200.000 Wohnungen.«

Gleichzeitiger Anstieg von Baukosten und Zinsen

Eine Hauptursache der Malaise ist demnach der gleichzeitige Anstieg von Baukosten und Zinsen, der viele Bauprojekte unrentabel macht. »Einigen Betrieben steht das Wasser bereits bis zum Hals«, sagte Wohlrabe. »Aktuell melden 11,9 Prozent der Unternehmen im Wohnungsbau Finanzierungsschwierigkeiten. Das ist der höchste Wert seit über 30 Jahren.«

In der Bau- und Wohnungsbranche ist Konsens, dass die deutsche Politik bei der Verteuerung des Bauens eine große Rolle spielt, seien es die Verschärfung von Energiesparvorgaben und Brandschutz oder das neue Heizungsgesetz. »Auf der einen Seite wird durch immer mehr Regulierung Bauen, Sanieren, Instandhalten, Bewirtschaften laufend aufwendiger und damit teurer«, sagt Axel Gedaschko, der Präsident des Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW).

Fehlbedarf von 700.000 Wohnungen für 2025 erwartet

»Dahinter stehen gesellschaftliche Ansprüche, die politisch aufgegriffen werden. Auf der anderen Seite soll durch immer mehr Regulierung verhindert werden, dass die steigenden Kosten die Privathaushalte überlasten.« Auch dahinter stünden gesellschaftliche Ansprüche. »Beides ist in der Sache nachvollziehbar, aber nicht mehr kompatibel«, kritisiert der GdW-Präsident.

»Jeden Monat gibt es eine neue Hiobsbotschaft. Eine Veränderung des Zinsniveaus ist für einen längeren Zeitraum nicht zu erwarten.« Die Entwicklung wird sich nach Einschätzung des Verbands in den Jahren 2024 und 2025 noch einmal deutlich verschärfen. »Für 2025 wird ein Fehlbedarf von 700.000 Wohnungen erwartet, wenn politisch nicht sehr schnell gegengesteuert wird«, sagt Gedaschko. Der GdW erwartet für 2024 noch 214.000 neue Wohnungen und ist damit nur marginal optimistischer als die Bauindustrie.

Wohnungsbaugipfel im Kanzleramt Ende September

Für Ende September ist ein Wohnungsbaugipfel im Berliner Kanzleramt geplant. Die Bauindustrie fordert ein großes Baupaket, das die drohende jahrelange Dauerkrise abwenden soll - und voraussichtlich finanziell alles in den Schatten stellen würde, was die Bundesregierungen der vergangenen Jahrzehnte für den Wohnungsbau ausgegeben haben: Dazu zählen unter anderem eine massive Ausweitung von Zinsverbilligungen, die Entschlackung der Baustandards, ein »Sondervermögen« für öffentliche Wohnungsunternehmen sowie die zeitweise Aussetzung der Grunderwerbssteuer.

© dpa-infocom, dpa:230912-99-162253/5