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Kosten steigen für Bauern »massiv«: Hohe Lebensmittelpreise

Verbraucher merken es an der Kasse: Nahrungsmittel werden teurer. Die Agrarbranche verweist darauf, dass höhere Kosten auf voller Breite durchschlagen. Beim Bauerntag geht es auch um andere Krisen-Konzepte.

Lebensmittel
Die Lebensmittelpreise könnten weiter steigen - denn die Landwirtschaft hat höhere Ausgaben. Foto: Hendrik Schmidt
Die Lebensmittelpreise könnten weiter steigen - denn die Landwirtschaft hat höhere Ausgaben.
Foto: Hendrik Schmidt

Bei den gestiegenen Lebensmittelpreisen im Supermarkt ist aus Sicht der Landwirte vorerst keine Entspannung zu erwarten. »Wir Bauern haben massiv gestiegene Kosten«, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der Deutschen Presse-Agentur.

»Wir können nicht einfach am Wochenende wie Privatleute das Auto stehen lassen und sagen, jetzt mache ich den Ausflug nicht. Wir müssen unsere Felder bearbeiten, da haben wir eigentlich kein Einsparpotenzial.« Daher bräuchten die Bauern auf der anderen Seite entsprechende Preise, um weiter wirtschaften zu können.

»Wir erwarten auch noch weitere Preissteigerungen, weil ein Teil der Kostensteigerungen bisher gar nicht eingepreist ist«, sagte Rukwied. Höhere Preise in den Supermärkten kämen zudem nur in Teilen bei den Landwirten an. Vielen Höfen machen deutlich höhere Ausgaben für Diesel, Strom, Gas, Futter und Düngemittel zu schaffen. Dabei wurden Preissteigerungen teils noch durch den russischen Krieg gegen die Ukraine verstärkt. Die angespannte Lage ist ein zentrales Thema beim Deutschen Bauerntag an diesem Dienstag und Mittwoch in Lübeck.

Klimaschutz und Tierwohl trotz Ukraine-Krieg

Die Inflation in Deutschland zog zuletzt weiter an. Im Mai lagen die Verbraucherpreise nach vorläufigen Daten des Statistschen Bundesamts insgesamt um 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Für Energie war demnach 38,3 Prozent mehr zu zahlen als vor Jahresfrist, Lebensmittel verteuerten sich um 11,1 Prozent.

In der Diskussion um Produktionsausweitungen zur Ernährungssicherung wegen ausfallender Getreideexporte der Ukraine sagte Rukwied: »Wir halten am Transformationsprozess zu mehr Klimaschutz, mehr Tierwohl in den Ställen und Verbesserungen für die Artenvielfalt fest.« Das bedeute »ein ganz klares Nein« dazu, diese Themen jetzt auszusetzen. »Auf der anderen Seite müssen wir uns in Anbetracht der globalen Versorgungskrise in Ländern Afrikas schon die Frage stellen: Wo haben wir noch Reserven, die wir heben können? Da bieten wir als deutsche Bauern an, mehr Flächen temporär zum Lebensmittelanbau zu nutzen. Wir können das, und ich denke, wir sollten das auch ethisch gesehen tun.«

Der zu erwartende Effekt wäre eher klein, erläuterte Rukwied. »Wir könnten vielleicht 1,4 Millionen Tonnen Getreide zusätzlich erzeugen. Die würden aber zur Entlastung beitragen. Und wenn das auch andere Regionen in Europa und der Welt machten, hätte das schon eine Wirkung.« Es liege an der Politik zu entscheiden, ob man das auf den Weg bringe, sagte der Bauernpräsident. »Wir brauchen als Landwirte die Entscheidung im Juli, um entsprechend planen zu können.« Die Erntemenge Deutschlands liegt bei mehr als 40 Millionen Tonnen.

Bundesagrarminister Cem Özdemir hat unter anderem schon ermöglicht, dass in diesem Jahr ausnahmsweise Gras und Pflanzen von bestimmten »ökologischen Vorrangflächen« als Futter genutzt werden dürfen. Das soll Preisanstiege abmildern. Der Grünen-Politiker wendet sich aber gegen weitergehende Rufe auch aus den Ländern, auf Brachflächen wieder alles machen zu können und dort etwa Getreide anzubauen.

Bauern brauchen Stickstoffdünger

Rukwied betonte außerdem: »Zentral ist, dass wir eine Priorisierung bei der Erdgasversorgung bekommen, insbesondere was die Düngemittelherstellung anbelangt.« Stickstoff sei der wichtigste Nährstoff für die Pflanzen. »Wenn wir den nicht zur Verfügung haben, brechen die Erträge im Extremfall von einem auf das andere Jahr massiv ein.« Um Vorsorge zu treffen, fordert der Verband auch eine Düngemittelreserve. Nur mit genügend Stickstoffdünger könnten Erträge gesichert werden. »Das hat für mich oberste Priorität, um Risiken für die Ernährungssicherung zu reduzieren«, sagte der Bauernpräsident. Auch bei der Verarbeitung, etwa in Molkereien, werde Gas gebraucht.

Auch die Erhöhung des Mindestlohns treibe Landwirtschaftsbetriebe um, machte Rukwied deutlich. »Gerade bei Obst- und Gemüsebetrieben sind Zukunftssorgen groß. Da stellt sich für den ein oder anderen Betrieb die Frage, ob er nächstes Jahr noch Erdbeeren, Spargel oder anderes Gemüse in dem Umfang anbauen kann.« Derzeit liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro. Zum 1. Juli steigt er turnusmäßig auf 10,45 Euro, zum 1. Oktober dann auf 12 Euro je Stunde.

© dpa-infocom, dpa:220612-99-633581/2