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Japans Wirtschaft mit Rekordeinbruch

Japan macht die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit durch. Die schon vor Corona geschwächte Konjunktur stürzte im Zuge der Pandemie mit voller Wucht in den Keller. Zwar rappelt sich Japan nun langsam wieder auf, doch eine zweite Infektionswelle bereitet Sorgen.

Containerhafen
Container stapeln sich in einem Hafen in Yokohama. Japans Wirtschaft ist im Zuge der Corona-Krise weiter massiv eingebrochen. Foto: Koji Sasahara/AP/dpa
Container stapeln sich in einem Hafen in Yokohama. Japans Wirtschaft ist im Zuge der Corona-Krise weiter massiv eingebrochen. Foto: Koji Sasahara/AP/dpa

TOKIO. Japans Wirtschaft hat im Zuge der Corona-Krise einen Rekordeinbruch erlitten.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der vor Deutschland drittgrößten Volkswirtschaft der Welt sank im zweiten Quartal dieses Jahres - auf das Jahr hochgerechnet - um real 27,8 Prozent, wie die Regierung in Tokio am Montag auf vorläufiger Basis bekanntgab. Japan war bereits in den beiden Vorquartalen geschrumpft und steckt damit in einer Rezession.

Dass der Einbruch diesmal noch viel heftiger ausfallen würde, hatten Ökonomen erwartet. Im laufenden Quartal rechnen sie zwar wieder mit einem Aufschwung, doch trübt die Sorge über eine neue Infektionswelle im Land die Erholungsaussichten. Experten rechnen damit, dass es noch Jahre dauert, bis sich Japan vollständig von den Auswirkungen der globalen Pandemie erholen wird.

Der Rückgang der wirtschaftlichen Leistung im zweiten Quartal ist der stärkste, den das Land seit 1980, dem Beginn der Aufzeichnung vergleichbarer Daten, verzeichnet hat. Im Vergleich zum vorangegangenen Quartal ergab sich nach den vorläufigen Berechnungen ein Minus von 7,8 Prozent. Japan war bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie infolge des Handelskonflikts zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt - USA und China - geschwächt. Hinzu kamen die Folgen einer Mehrwertsteueranhebung im vergangenen Jahr. Dann kam die Corona-Krise; die zwischen April und Ende Mai erlassenen Einschränkungen trafen die schwache Wirtschaft mit Wucht.

Der Privatkonsum, der in Japan zu rund 60 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes beiträgt, sank im Vergleich zum Vorquartal um 8,2 Prozent. Dennoch: Da Japan anders als andere Länder keinen harten Lockdown verhängte, fiel der Einbruch noch relativ milde aus. Hätte Japan die gleichen harten Ausgangsbeschränkungen wie in Europa oder den USA erlassen, wäre der wirtschaftliche Einbruch noch schlimmer ausgefallen, ist sich Taro Saito vom NLI Research Institute sicher. Doch werde die geschwächte Einkommenssituation der Privathaushalte und Firmen die Wirtschaft weiter belasten. »Wir können nicht sagen, dass die Lage der japanischen Wirtschaft besser ist als die anderer«, sagte Saito der Nachrichtenagentur Kyodo.

Sein Kollege Martin Schulz, Chefökonom beim Technologiekonzern Fujitsu in Tokio, sieht jedoch vergleichsweise positive Aspekte in Bezug auf Japans wichtigen Exportmotor. Zwar gingen die Ausfuhren um 18,5 Prozent zurück, doch hätten sie sich nicht so stark auf den Rückgang der Wirtschaftsleistung ausgewirkt wie befürchtet, so Schulz. Ein Grund dafür sei, dass Japans Lieferketten »erstaunlich stabil« geblieben seien. So habe die Halbleiterindustrie diesmal praktisch keine großen Probleme gehabt, sagte der Ökonom der Deutschen Presse-Agentur in Tokio. Ähnlich sei es der japanischen Pharmaindustrie ergangen.

»Die Unternehmen haben sich recht gut vorbereitet«, so Schulz. Schließlich seien Japans Ausfuhren schon im ersten Quartal zurückgegangen. Viele Unternehmen hätten sich darauf eingestellt und zum Beispiel verstärkt auf Lager produziert. So verzeichneten Japans Importe denn auch im Berichtsquartal nur einen relativ geringen Rückgang von 0,5 Prozent. Solide Einfuhren aus dem benachbarten China, dessen Wirtschaft wieder in Gang kommt, halfen Japan, den Rückgang der Importe aus den USA und Europa auszugleichen. Hinzu komme, dass der wirtschaftliche Absturz in Asien infolge der Pandemie generell geringer ausgefallen sei als andernorts, sagte Schulz.

Wegen der Pandemie mussten auch die Olympischen Sommerspiele in Tokio auf 2021 verlegt werden. Auch an dem Termin gibt es jedoch Zweifel. Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern, verabschiedete die japanische Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe gigantische Konjunkturprogramme. »Wir werden die Wirtschaft zurück auf den Wachstumspfad bringen«, sagte der Minister für wirtschaftliche Wiederbelebung, Yasutoshi Nishimura, mit Blick auf die aktuellen BIP-Zahlen. Nach Durchschreiten der Talsohle werde Japan aufholen, angeführt von der Binnennachfrage.

Doch Ökonomen in Tokio bleiben vorsichtig. Abzuwarten bleibe, wie sich die in jüngster Zeit wieder steigenden Infektionsfälle im Land auf die heimische Wirtschaft auswirken werden. Eine kürzlich von der Regierung gestartete Förderkampagne zur Ankurbelung der schwer getroffenen Tourismusindustrie wird jedenfalls von vielen als viel zu verfrüht kritisiert. Doch es gibt auch Positives: Japan erlebt laut Ökonomen als Lehre aus der Corona-Krise derzeit einen Riesensprung in Richtung Digitalisierung und neue Arbeitsstile. Ökonomen rechnen im laufenden Quartal wieder mit einem deutlichen Aufschwung von mehr als zehn Prozent, nachdem Japans Wirtschaft nach Aufhebung des Notstands schrittweise geöffnet worden war. Doch bis die Wirtschaft das Niveau von vor der Krise wiedererlangt, werden laut Experten Jahre vergehen. (dpa)