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IG-Metall-Chef: Bislang wenig Entlastung für Normalverdiener

Mit einer Forderung nach acht Prozent mehr Geld zieht die IG Metall in die Tarifrunde. Die Hilfspakete hätten bislang kaum Entlastung für Beschäftigte gebracht, sagt der Vorsitzende Hofmann.

Jörg Hofmann
Jörg Hofmann, IG-Metall-Vorsitzender, bei einer Veranstaltung in Berlin. Foto: Britta Pedersen
Jörg Hofmann, IG-Metall-Vorsitzender, bei einer Veranstaltung in Berlin.
Foto: Britta Pedersen

Das staatliche Hilfspaket hat nach Einschätzung der IG Metall bislang wenig Entlastung für durchschnittlich verdienende Menschen gebracht. »Für die große Masse der Beschäftigten in Betrieben und Verwaltungen beinhaltet es vor allem Versprechungen und Ankündigungen für die Zukunft, die teils noch unter Vorbehalt stehen«, sagte der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann der Deutschen Presse-Agentur.

Dies erhöhe den Druck auf die anstehende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie. »Selbst wenn die Politik schnell ist, ist noch nicht deutlich, wann Gas- und Strompreisdeckel tatsächlich kommen. Es bleiben für Normalverdiener im Wesentlichen alleine greifbar die steuer- und abgabenfreien 3000 Euro, die von den Gewerkschaften erst einmal erkämpft werden müssen. Von daher lastet ein großer Erwartungsdruck auf unseren Tarifverhandlungen.«

Einmalzahlungen laut Hofmann keine Lösung

Hofmann wendete sich gegen Vorstellungen der Arbeitgeber, in der Energiepreis-Krise vor allem mit Einmalzahlungen zu agieren. »Die angekündigte Steuer- und Abgabenfreiheit ist keinesfalls auf Einmalzahlungen beschränkt. Der Koalitionsausschuss spricht allgemein von zusätzlichen Zahlungen. Damit sind alle tariflichen zusätzlich vereinbarten Entgelterhöhungen darunter gefasst. Alles andere wäre ein tiefer und klar abzulehnender Versuch, in die Tarifautonomie einzugreifen«, sagte der IG-Metall-Chef.

Deutschlands mächtigste Gewerkschaft zieht mit einer Forderung nach acht Prozent mehr Geld für die knapp vier Millionen Beschäftigten in die Verhandlungen, deren Auftakt am 12. September in Hannover stattfindet. Warnstreiks in den zentralen Branchen der deutschen Industrie wie Auto und Maschinenbau sind nach dem 28. Oktober möglich.

Hofmann verlangte Klarstellungen seitens der Bundesregierung: »Zu klären ist der Zeitraum, für den diese Steuerfreistellung gilt. Wir meinen auch, dass hier tarifvertraglich vereinbarte Erhöhungen und damit fest vereinbarte Ansprüche der Beschäftigten gemeint sein sollen. Wo wir geschlossene Tarifverträge haben, müssen wir überlegen, ob wir nicht die Forderung nach einem Energiebonus in die Diskussion bringen.«

Beschäftigte im Hintertreffen

Seit 2018 haben die Metall-Beschäftigten lediglich eine tarifliche Zusatzzahlung oben drauf bekommen. Tabellenwirksame Erhöhungen seien daher nun dringend notwendig, meinte Hofmann. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen seien nicht schlecht: »In der Mehrzahl geht es den Unternehmen in unseren Branchen weiterhin gut. Viele von ihnen planen gerade weitere Preiserhöhungen für ihre Produkte, um die gestiegenen Kosten auszugleichen.«

Diese Möglichkeit hätten die Beschäftigten eben nicht. »Sie sind unabhängig von der wirtschaftliche Lage ihrer Unternehmen vom Kaufkraftverlust getroffen. Die Lage der Betriebe mag in Teilen unterschiedlich sein, die Probleme für die Beschäftigten sind jedoch die gleichen. Die Stabilität der Kaufkraft und damit des privaten Konsums ist die zentrale Herausforderung, um eine Rezession zu vermeiden.«

Es gebe natürlich auch viele Betriebe, denen die Marktmacht zu Preissteigerungen fehle, räumte Hofmann ein. So kämpften beispielsweise viele Gießereien und Härtereien mit den explodierenden Energiekosten. Hier brauche es die Hilfe der Politik. »Unter anderem müssen die Voraussetzungen für Kurzarbeit genauer gefasst und Energiekostenzuschüsse passgenauer und schneller gezahlt werden.« Wo die Tariflohnsteigerungen zum existenziellen Problem werden, habe man in der Vergangenheit über das Pforzheimer Abkommen eine passgenaue Lösung gefunden. Das Abkommen erlaubt Unternehmen, von Tarifverträgen befristet abzuweichen, wenn sie dadurch Arbeitsplätze sichern oder neue schaffen.

Die Lage der Werftindustrie

Die Existenzkrise des deutschen Schiffbaus hat sich aus Sicht der IG Metall indes weiter zugespitzt. Nach einer am Freitag präsentierten Betriebsrätebefragung im Auftrag der Gewerkschaft sind in der Branche 2022 innerhalb eines Jahres rund 2600 weitere Arbeitsplätze verloren gegangen, so dass mit gut 14.000 Beschäftigten ein absoluter Tiefpunkt erreicht worden sei. »Diese Abwärtsspirale müssen wir so schnell wie möglich stoppen, sonst fehlt uns die Basis einer funktionierenden Wertschöpfungskette«, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich.

Es gehe bei der Erhaltung von Schiffbaukompetenz nicht um die Frage, »ob wir eine Tradition fortführen«, betonte Friedrich. »Es geht um geopolitische Handlungsfähigkeit«, mahnte er angesichts der seit Jahren wachsenden Dominanz Chinas als Schiffbaunation.

© dpa-infocom, dpa:220908-99-687368/6