Stornierungen, hohe Kosten und teure Finanzierung: Der deutsche Wohnungsbau blickt voller Sorgen in die Zukunft. Der Geschäftserwartungsindex für die Branche fiel für Februar auf minus 65,6 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991. »Im Wohnungsbau geht die Angst um«, sagte Ifo-Forscher Felix Leiss.
Seit einiger Zeit werden im Wohnungsbau deutlich häufiger Aufträge storniert als früher. 14,3 Prozent der Unternehmen berichteten in der aktuellen Umfrage davon. Wie hoch dieser Wert ist, zeigt der Vergleich mit den Jahren von 2012 bis 2019, als er kein einziges Mal über 3 Prozent kam. Und selbst auf dem Höhepunkt des Corona-Einbruchs 2020 war der Wert noch einstellig geblieben. Seit der ersten Jahreshälfte 2022 hat sich dies allerdings geändert.
»Das Neugeschäft leidet stark unter den deutlich höheren Zinsen und den gestiegenen Baukosten«, sagte Leiss. »Im Mittel sind die Auftragsbücher zwar immer noch gut gefüllt, aber etliche Unternehmen klagen bereits über einen Auftragsmangel.« Aktuell berichteten 23,4 Prozent der Unternehmen von einem Auftragsmangel. Vor einem Jahr waren es nur 9,5 Prozent.
Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sieht die gestiegenen Zinsen als einen Grund für die Stornierungen. »Die Finanzierungen sind nicht mehr gesichert, Wohnungsbauprojekte werden einfach nicht mehr umgesetzt«, sagte er. Selbst wenn die Genehmigungen vorlägen, werde »einfach nicht mehr neugebaut«.
Die Wohnungsbaubranche könne einen solchen Trend »nur bis zu einem gewissen Grad aushalten«, warnte Müller. »Heute arbeiten wir noch unsere Aufträge der letzten zwei Jahre ab - ab Spätsommer müssen neue nachkommen, um unsere Kapazitäten voll auszulasten.«
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