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IAA spiegelt Autobranche: Selbstbewusste Chinesen

Chinas Autobauer galten lange als Kopierer deutscher Ingenieurskunst. Nun scheinen sie in der neuen Mobilitätswelt den Takt vorzugeben. Heimische Autobauer stemmen sich gegen die angespannte Lage.

Automesse IAA
Manager der Dongfeng Liuzhou Motor Co. Ltd. enthüllen auf der IAA ein neues Fahrzeug der Marke Forthing. Foto: Martin Schutt/DPA
Manager der Dongfeng Liuzhou Motor Co. Ltd. enthüllen auf der IAA ein neues Fahrzeug der Marke Forthing.
Foto: Martin Schutt/DPA

BYD, Nio, Xpeng, Leapmotor - chinesische Automarken sind in Deutschland bisher vor allem Insidern und Autofans ein Begriff. Doch die Newcomer aus der Volksrepublik arbeiten hart daran, das zu ändern. Sie wollen mit dem aufkommenden Elektrozeitalter ihre Präsenz in Europa deutlich ausbauen. Auf der Auto- und Verkehrsmesse IAA in München präsentieren sie sich von diesem Dienstag an dem Publikum.

Das neue chinesische Selbstbewusstsein speist sich unter anderem aus den Fehlern deutscher Anbieter in der Volksrepublik. Dort kommen viele Traditionsmarken mit ihren Elektroangeboten nicht gut an. Als ein Aufbruchsignal gelten den lokalen Anbietern laut Branchenkreisen etwa die Pläne von VW, für zwei neue Elektro-Mittelklassemodelle in China auf Technik des Start-ups Xpeng zurückzugreifen.

Chinesen drängen nach Deutschland und Europa

Der chinesische Elektroautobauer BYD will seine Autos bald auch in Deutschland verkaufen. Das Unternehmen hat in diesem Jahr nicht nur VW in China nach Jahrzehnten die Marktführerschaft abgeluchst, weil die Wolfsburger mit ihren Elektroautos dort Probleme haben. Zudem haben die Chinesen weltweit im Gesamtverkauf auch den US-Elektropionier Tesla hinter sich gelassen.

2024 will auch VW-Partner Xpeng in Deutschland starten. Deutschland-Manager Markus Schrick kündigte an, mit etablierten Händlern zusammenzuarbeiten, während viele andere Newcomer vor allem auf Onlineverkäufe setzen. Bisher ist Xpeng mit seinem Angebot insbesondere in nordeuropäischen Ländern am Start, für kommendes Jahr stehen aber nun auch Frankreich und Großbritannien im Plan.

Bei Nio, deren Autos bereits in Deutschland verfügbar sind, könnte es auch noch einen Schritt weitergehen. »Wir sind in Europa noch relativ klein«, sagte Europachef Hui Zhang. »Aber wenn wir bei einem Absatz um die 100 000 Fahrzeuge liegen, könnte sich eine Fabrik in Europa rentieren.« Der chinesische Autobauer punktet bei seinen deutschen Käufern vor allem mit einem hierzulande bislang einzigartigen Angebot: Statt ihre Batterie selbst zu laden, können Nio-Fahrer sie in einer Wechselstation binnen weniger Minuten automatisch austauschen lassen. Das Unternehmen aus Shanghai will dieses Jahr weltweit annähernd 200.000 E-Autos verkaufen.

Was die deutschen Autobauer im Köcher haben

Die deutschen Autobauer stemmen sich dagegen: BMW mit dem Konzeptfahrzeug zu seiner kommenden und völlig neu entworfenen Modellgeneration »Neue Klasse«. Sie soll dem Autobauer seine Stellung auch bei Elektroantrieben sichern. Mercedes hat seinen neuen CLA als »Ein-Liter-Auto« bezeichnet, um die Sparsamkeit mit weniger als zwölf Kilowattstunden Verbrauch auf 100 Kilometern zu illustrieren.

VW-Konzernchef Oliver Blume sieht die Ambitionen der Chinesen noch nicht als Bedrohung. »Wir haben das Fahrzeug-Know-how, wir haben das Qualitätsniveau. Und wir haben ein Markenerbe. Das haben die Neuen nicht.« Preislich werde der Unterschied zu den etablierten Anbietern nicht so hoch sein. »Die Chinesen werden das Kostenniveau, das sie in China anbieten, in Europa nicht anbieten können«, prophezeite er.

Die deutschen Hersteller würden den Wettlauf um die Zukunft nicht verlieren, »der deutsche Standort ohne massive Reformen schon«, sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

Fortschritte bei Elektromobilität eingeplant

»Wir werden auf der Kostenseite hart arbeiten müssen«, räumte Blume ein. Allerdings zeigte er dahingehend Zuversicht. Das gelte vor allem für die Batterie als größtem Kostenblock beim E-Auto.

Deutschlands größter Ladenetzbetreiber EnBW verdoppelt derweil seine Investitionen in sein Ladenetz. Auch wenn der Hochlauf der Elektromobilität derzeit stockt, rechnet man bis 2030 mit über zehn Millionen E-Autos auf den deutschen Straßen. »Wir investieren in die Zukunft und sichern uns jetzt die besten Standort«, hieß es bei EnBW.

Experten raten zu Blick nach vorn

VW will seinen Marken mit unterscheidbaren Designs wieder zu mehr Geltung verhelfen. Die Wolfsburger präsentierten eine sportlichere GTI-Version ihrer Elektrobaureihe ID. Fachleute sehen aber auch beim Design der deutschen Marken Nachholbedarf. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer rät, dass sich die deutschen Autobauer nicht zu sehr auf ihre erfolgreichen Wurzeln im Design besinnen sollten, um sich die Sicht auf Neuerungen nicht zu verbauen.

Philipp Kupferschmidt, Autoexperte bei der Unternehmensberatung Accenture, empfiehlt auch generell den Blick nach vorn. »Wir dürfen nicht den Fehler machen, aufgrund der Erfolge der Vergangenheit zu erwarten, auch in Zukunft erfolgreich zu sein.« Die Zeit dränge.

Probleme im Tagesgeschäft

Symptomatisch für das aktuelle Umfeld kündigten sich beim Branchenschwergewicht VW neue Produktionsprobleme an. Wegen der verheerenden Hochwasser in Slowenien und daher fehlenden Motorteilen musste bereits ein Werk in Portugal die Montage ab dem 11. September für zwei Monate stilllegen. Auch im Stammwerk in Wolfsburg werden einzelne Schichten in der Fertigung wegfallen. Für die betroffenen Mitarbeiter werde Kurzarbeit beantragt.

Proteste und Kritik

Die weithin befürchteten Protestaktionen fielen am Tag vor der offiziellen Eröffnung der Messe eher klein aus. Mit einer Abseilaktion über dem Mittleren Ring in München lösten Aktivisten der Organisation Extinction Rebellion Staus aus. An der Messe selbst protestierte die Naturschutz-Organisation Greenpeace. Aktivisten stiegen vor dem Haupteingang in einen See mit versenkten Autos und hielten Transparente mit Aufschriften wie »Autoindustrie versenkt Klimaschutz« hoch.

© dpa-infocom, dpa:230904-99-73832/2