Es ist eine Balanceakt für Wirtschaftsminister Robert Habeck und die deutsche Wirtschaft: Die Handelsbeziehungen Deutschlands zu anderen Ländern in Asien sollen ausgebaut werden, um einseitige Abhängigkeiten von China zu vermeiden. Das aber braucht Zeit - und das Signal soll keine Abkopplung von der Volksrepublik sein, denn dafür ist sie für deutsche Unternehmen zu wichtig. Auf der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur macht die Formel »China plus X« die Runde.
Der russische Angriff auf die Ukraine und die Verwundbarkeit Deutschlands durch eine große Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen hat eine »Zeitenwende« auch in der Handelspolitik eingeläutet. Das Zauberwort lautet Diversifizierung. Damit sollen Risiken sollen breiter gestreut werden. Die Bundesregierung will dazu das Instrument der Investitionsgarantien ändern, um Auslandsinvestitionen deutscher Firmen verstärkt in andere Länder als China zu lenken.
Habeck sagte am Sonntag in Singapur, es gehe um eine Balance von Märkten. Die Denkweise müsse verändert werden. Auch Siemens-Chef Roland Busch, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses, sagte, die Wirtschaft müsse sich diversifizieren. Diese sei aber ein Prozess, der dauere.
Habeck schaut besonders auf Südasien
»Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen«, hatte Habeck am Samstag gesagt. »Wir brauchen andere Länder, andere Partner.« In einem ntv-Interview sagte Habeck, die Abhängigkeit von China liege in bestimmten Bereichen wie bei wichtigen Rohstoffen bei fast 100 Prozent. »Bräche China als Absatzmarkt weg, wäre das für einige deutsche Branchen nicht verkraftbar.« Lange habe man die niedrigen Produktionskosten für »allein seligmachend« gehalten. Außerdem habe China riesige Rohstoffvorkommen günstig auf den Markt geworfen.
Die südasiatischen Märkte außerhalb Chinas, die sich sehr stark entwickelten, seien für die deutsche Wirtschaft von hohem Interesse. Das bedeute aber nicht, dass es um eine wirtschaftliche Abkopplung von China gehe, machte Habeck deutlich. Deutschland fährt in dieser Frage einen anderen Kurs als die USA. Für die deutsche Wirtschaft ist die Volksrepublik ein immens wichtiger Handelspartner. Viele deutsche Unternehmen produzieren vor Ort.
China steht im Westen wegen Menschenrechtsverletzungen, des Säbelrasselns gegenüber Taiwan und seines forscheren außenpolitischen Auftretens in der Kritik. Erst vor kurzem hatte die Bundesregierung den Einstieg von chinesischen Investoren bei deutschen Hightech-Firmen gestoppt. Die Beteiligung eines chinesischen Konzerns an einem Hafenterminal in Hamburg wurde aber ermöglicht.
»Robuste Antworten« auf Chinas Vorgehensweise
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine neue China-Strategie - Habeck schlägt Pflöcke ein. Man dürfe nicht naiv sein. Wenn China Unternehmen zwinge, ihre Entwicklungsabteilungen nach China zu verlegen, wenn sie dort Güter verkaufen wollten, um das »Wissen abzusaugen«, sollte darauf »robust« darauf geantwortet werden.
»Das ist aber nicht das Gleiche, wie zu sagen, dass wir gar keinen Handel mit China betreiben wollen«, sagte der Grünen-Politiker. »Wir haben 30 Jahre lang quasi diese unpolitische Sicht auf China zum Prinzip unserer Handelspolitik gemacht. Jetzt gibt es eine extrem politische Sicht auf China. Aber wir werden ein paar Jahre brauchen, um uns langsam da rauszuarbeiten.«
Habeck mahnte zügige Gespräche etwa über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien an. »Die Welt wartet nicht darauf, dass Europa oder Deutschland in die Hufe kommt.« Wobei die Verhandlungen etwa mit Indien alles andere als einfach sind, wie es hinter den Kulissen heißt.
Menschenrechtslage in weiteren Staaten schlecht
Neben dem Vizekanzler ist auch der Kanzler in Asien unterwegs: Olaf Scholz besuchte am Sonntag Vietnam und wird am Montag auf der Wirtschaftskonferenz in Singapur erwartet. Schon vor der Konferenz dort kam die Nachricht, dass sich die Ampel-Koalition über eine Neuaufstellung der Handelspolitik geeinigt hat. Dazu gehört auch der Ausstieg aus einem umstrittenen Energiecharta-Vertrag, das bei Grünen und Umweltorganisationen schon lange in der Kritik steht. Außerdem soll das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta schnell ratifiziert und die Partnerschaft mit den USA vertieft werden.
In Singapur sprach Habeck am Sonntag auch mit Ministern aus Pakistan und den Philippinen. Beide Staaten hätten Interesse an Wirtschaftsabkommen. Zu solchen Beziehungen müssten aber immer Reformen zur Verbesserung der Menschenrechtslage einhergehen.
Es sind also keine einfachen Gespräche, die zu führen sind. In Singapur gab es aber auch schöne Termine ohne Abstriche für den Wirtschaftsminister: Am Rande der Konferenz stand er Pate, als deutsche Unternehmen Vereinbarungen mit Partnern aus Singapur unterzeichneten - eine Firma kam aus Habecks Heimat Flensburg.
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