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Habeck und Özdemir werben in Südamerika für Handelsabkommen

Wirtschaftsminister Habeck und Agrarminister Özdemir wollen ein »Momentum« nutzen, um enger mit Brasilien und Kolumbien zusammenzuarbeiten. China ist vielerorts bereits wichtigster Handelspartner.

Habeck und Özdemir in Brasilien
Wirtschaftsminister Robert Habeck (3.v.l.) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (r.) in Belo Horizonte. Foto: Britta Pedersen
Wirtschaftsminister Robert Habeck (3.v.l.) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (r.) in Belo Horizonte.
Foto: Britta Pedersen

Es ist ein Versuch der Wiederbelebung in schwierigen Zeiten: Wirtschaftsminister Robert Habeck und Agrarminister Cem Özdemir werben in Brasilien für mehr Handel mit Deutschland und ein Freihandelsabkommen der EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur.

»Es ist jetzt mit der Regierung Lula die Chance da, zu schauen, ob man das EU-Mercosur-Abkommen, das ja eigentlich endverhandelt ist, aber von beiden Seite noch mit Fragen versehen ist, finalisieren kann«, sagte Habeck, der am Sonntag auf einer mehrtägigen Südamerika-Reise im Doppel mit seinem Parteikollegen und Agrarminister Özdemir in Belo Horizonte unterwegs war. »Das wäre mein Ziel.«

Demnach sei das Abkommen eine Chance für Südamerika wie für Europa und für Deutschland, wenn sich Nachhaltigkeit verbindlich darin wiederfinde. »Ein Teil der Reise wird darin bestehen, herauszufinden, ob das mit Brasilien und mit den anderen Ländern im Mercosur-Abkommen möglich ist.«

Mercosur-Verhandlungen dauern schon Jahrzehnte

Nach einem Treffen mit dem Gouverneur des Bundesstaats Minas Gerais sagte Habeck: »Brasilien ist der einzige strategische Partner auf dem südamerikanischen Kontinent für Deutschland, und dennoch haben wir Arbeit zu tun.« Es habe sich wirtschafts- und geopolitisch viel verändert. Vorgaben zum Klimaschutz und zum Erhalt der natürlichen Vielfalt müssten zentrale Bestandteile des Wirtschaftssystems werden.

Die EU verhandelt schon seit 1999 mit dem Mercosur - zu dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören - über ein Freihandelsabkommen, mit dem eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen würde. Das Abkommen liegt auch angesichts der Verweigerung des vorigen rechten Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, beim Klimaschutz auf Eis. Umwelt- und Verbraucherschützer machen gegen das Abkommen Front.

Das Abkommen bedrohe den Regenwald und verstärke die Rindfleischproduktion - beides sei das Gegenteil von dringend nötigen Klimaschutz, sagte etwa Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha der Deutschen Presse-Agentur. Für Verbraucher in Deutschland und der EU würde das Abkommen zudem mehr Billigfleisch bedeuten. Auch der Deutsche Bauernverband ist dem Abkommen gegenüber kritisch eingestellt. »Wir haben die Interessen der Bauern im Blick, aber es liegt auch im Interesse der deutschen Landwirtschaft, dass auf diesem Planeten die Regierungen gestärkt werden, die an Nachhaltigkeit glauben«, sagte Agrarminister Özdemir dazu.

Mehr Gemeinsamkeiten mit neuen Regierungen?

Die Bundesregierung will nun ein »Momentum« nutzen, um enger mit Brasilien und Kolumbien, dem zweiten Ziel der Südamerika-Reise, zusammenzuarbeiten, wie es hieß. Das zielt auf neue Präsidenten in beiden Ländern. Experten hatten zuletzt immer wieder kritisiert, dass Europa trotz historischer und kultureller Anknüpfungspunkte - im Süden Brasiliens etwa sind 20 Prozent der Bevölkerung deutschstämmig -, den Chinesen in der Region das Feld überlässt.

»Für die deutsche Wirtschaft ist es essenziell dass das Abkommen möglichst schnell ratifiziert wird«, sagte Barbara Konner, Hauptgeschäftsführerin der Außenhandelskammer São Paulo der dpa. »China ist in Brasilien bereits heute stärkster Handelspartner und wichtigster Investitionspartner.« Vor allem sei es aber für Deutschland wichtig, im Rahmen des Abkommen seine eigenen Klimaschutzziele zu erreichen. Auch BDI-Präsident Siegfried Russwurm hatte argumentiert, mit dem Abkommen rücke der südamerikanische Markt enger an Europa, hiesige Regeln und Normen.

Brasilien hat 214 Millionen Einwohner und ist flächenmäßig 24 Mal so groß wie Deutschland. »Wir wollen ein kraftvolles Signal, dass Deutschland eine Partnerschaft auf Augenhöhe möchte«, sagte Agrarminister Özdemir. Er bezeichnete Brasilien und das ehemalige Bürgerkriegsland Kolumbien als »ideale Partner«, weil sie sich auf den Weg gemacht hätten, Klimaschutz und Wohlstand zu verbinden. Kolumbien ist im Mercosur ein assoziierter Staat.

Deutsche Wirtschaft schielt auf Brasiliens Wasserstoff

Bei der brasilianischen Wirtschaft hat das geplante Treffen mit dem grünen Minister-Doppel große Aufmerksamkeit geweckt. »Das Interesse des privaten Sektors ist riesig«, sagte Lytha Spindola, Direktorin für industrielle Entwicklung des nationalen Industrieverbandes CNI, der dpa. Rund 1000 Teilnehmer kämen zu den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen in der Innovationsmetropole Belo Horizonte, die Habeck und Özdemir am Montag besuchen.

Deutsche Firmen sind in Brasilien seit vielen Jahren aktiv. Das »Wasserstoffland Brasilien« könnte künftig die Rolle eines Lieferanten des begehrten Bausteins beim klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft übernehmen, sagte Ansgar Pinkowski, Direktor Energiewende und Nachhaltigkeit der Außenhandelskammer Rio.

Energie, Klima und Digitalisierung werden Themen bei den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen sein. Das größte Business-Treffen der beiden Länder gehört seit langem zur bilateralen Agenda, ist aber das erste seiner Art unter der neuen brasilianischen Regierung von Präsident Lula da Silva. 2022 erreichte der Warenhandel zwischen Brasilien und Deutschland nach Angaben des CNI 17, 2 Milliarden US-Dollar Euro - demnach der höchste Wert seit 2014.

© dpa-infocom, dpa:230312-99-925905/2