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Großbritannien kämpft gegen die Rezession

Mit einer radikalen Steuerreform wollte Liz Truss die britische Wirtschaft wieder in Schwung bringen - doch die Premierministerin scheiterte. Ihr Nachfolger versucht nun, den Schaden zu begrenzen.

Rishi Sunak
Der neue britische Premierminister Rishi Sunak. Foto: Leon Neal
Der neue britische Premierminister Rishi Sunak.
Foto: Leon Neal

Die Finanzmärkte bestimmen zunehmend den Wirtschaftskurs des Vereinigten Königreichs. Premierminister Rishi Sunak betonte am Montag, wie wichtig es sei, »die Erwartungen der internationalen Märkte zu erfüllen«. Denn das Vertrauen in die britische Wirtschaftspolitik ist erschüttert.

Händeringend versuchen der Regierungschef und sein Finanzminister Jeremy Hunt die Scherben aufzukehren, die ihnen Sunaks Kurzzeit-Vorgängerin Liz Truss in ihrer chaotischen Amtszeit hinterlassen hat. Die Kosten dürften immens sein - wie hoch genau, wird Hunt an diesem Donnerstag enthüllen.

Dann legt der Schatzkanzler seinen Finanzplan vor. Schon jetzt werden Eckpfeiler bekannt. Statt radikaler - und nicht gegenfinanzierter - Steuersenkungen wie bei Truss schlägt die Regierung nun entgegen ihrer konservativen Ideologie den gegensätzlichen Pfad ein. Dabei ist die Steuerlast schon jetzt so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr.

Vor allem die Wohlhabenderen sollen mehr zahlen, wie Hunt andeutete. So könnte die Schwelle für den höchsten Steuersatz von 150.000 auf 125.000 Pfund Jahreseinkommen sinken. Das würde etwa 246.000 Menschen treffen, wie eine Analyse der Wirtschaftsprüfer Moore Kingston Smith für die Zeitung »Times« ergab. Doch auch Geringverdiener werden nicht ausgenommen. »Wir alle werden mehr Steuern zahlen müssen, fürchte ich«, sagt Hunt jüngst und schwor die Bevölkerung auf »Opfer« ein.

Andauernde Rezession mit allen Mitteln verhindern

Vorrangiges Ziel sei, die öffentlichen Finanzen auf Vordermann zu bringen, kündigte Premier Sunak nun an. Das ist dringend nötig: Das Haushaltsloch wird auf rund 40 Milliarden Pfund (45,7 Mrd Euro) geschätzt. Erwartet wird daher, dass Hunt nicht nur Steuern erhöhen, sondern auch öffentliche Ausgaben etwa für Gesundheit stark kürzen wird - obwohl Experten warnen, dass der Gesundheitsdienst NHS bereits jetzt vor einem Zusammenbruch stehe. Doch Sunak und Hunt wollen mit allen Mitteln eine andauernde Rezession verhindern, wie sie auch die Bank of England vorhersagt. Die Inflation stieg zuletzt auf mehr als 10 Prozent - das kostet den Staat Geld, da Ausgaben für Sozialleistungen und Renten steigen.

Hunt war noch von Truss zum Nachfolger des glücklosen Kwasi Kwarteng ernannt worden und machte sich sofort daran, dessen Ankündigungen zurückzunehmen. Das verhinderte zwar nicht das rasche Aus der Premierministerin, doch seitdem hat sich die Lage stabilisiert. Das Pfund glich seine Verluste aus, die Renditen für langfristige Staatsanleihen sanken wieder. Doch die Märkte bleiben nervös. Wegen des abenteuerlichen Finanzkurses von Truss und Kwarteng müssen die vielen Immobilienbesitzer deutlich höhere Hypothekenzinsen zahlen. Die Denkfabrik National Institute of Economic and Social Research (NIESR) schätzt, dass bis April 2024 jeder fünfte Haushalt nur noch wenige oder gar keine Rücklagen hat.

Der neue Premier gibt sich betont optimistisch

Sunak gab sich nun betont optimistisch. »Der Schatzkanzler hat gesagt, dass ein Teil unserer Aufgabe nicht nur darin besteht, dem System wieder Stabilität zu verleihen, was wir tun werden, sondern auch darin, die Grundlagen für die Erholung und das Wirtschaftswachstum zu schaffen«, sagte der Premier. Dann könne die Regierung auch wieder Steuern senken und die öffentlichen Dienste unterstützen. Doch Zweifel bleiben, dass das bald möglich ist.

Wie die Zeitung »Financial Times« am Montag berichtete, droht wegen der schlechten Wirtschaftslage die Aufnahme von Dutzenden Milliarden Pfund mehr Schulden als bisher gedacht. Die Aufsichtsbehörde Office for Budget Responsibility (OBR) schätze, dass im Geschäftsjahr 2026/27 (31. März) Kredite von knapp 100 Milliarden Pfund (114 Mrd Euro) nötig sein werden. Im März hatte OBR die Neuschulden für den Zeitraum noch auf 31,6 Milliarden Pfund geschätzt. Die Hälfte der höheren Kredite entfalle auf deutlich gestiegene Kosten für den Schuldendienst. Der Rest sei einem schwächeren Wirtschaftsausblick geschuldet, der die Steuereinnahmen beeinträchtige. Großbritannien droht ein wirtschaftlicher Teufelskreis.

© dpa-infocom, dpa:221114-99-512105/2