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Geywitz will Wohnungsbau ankurbeln

Der Wohnungsbau stockt wegen gestiegener Zinsen und teurer Materialien. Baufinanzierungen sind kaum noch gefragt - schlechte Vorzeichen im Kampf gegen Wohnungsnot und hohe Mieten.

Klara Geywitz
Bundesbauministerin Klara Geywitz will mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland schaffen. Foto: Heiko Rebsch/DPA
Bundesbauministerin Klara Geywitz will mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland schaffen.
Foto: Heiko Rebsch/DPA

Bundesbauministerin Klara Geywitz will mit Steueranreizen den kriselnden Wohnungsbau ankurbeln. »Angesichts des dramatischen Einbruchs bei den Baugenehmigungen und damit verbunden dem Rückgang der Bauinvestitionen in diesem Jahr brauchen Bau- und Immobilienwirtschaft dringend neue Investitionsanreize«, sagte die SPD-Politikerin. Sie will steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Neubauten deutlich erweitern.

Der jahrelang boomende Wohnungsbau ist wegen des starken Zinsanstiegs bei Krediten und teureren Materialien ins Stocken geraten, was die Baubranche belastet. Die Bundesregierung verfehlte 2022 ihr Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen mit gut 295.000 Fertigstellungen - was den Kampf gegen Wohnungsmangel und hohe Mieten erschwert. Auch sind die Baugenehmigungen, die ein Indikator für den Bau sind, eingebrochen. Im Geschäft mit privaten Immobilienkrediten herrscht seit Monaten Flaute. Das erste Halbjahr verlief so schwach wie seit fast 20 Jahren nicht.

Zeitlich befristete, degressive AfA

Geywitz schlägt nun die Einführung einer befristeten »degressiven AfA« für neue Wohngebäude ab Januar 2024 vor. AfA steht für »Absetzung für Abnutzung«. Gelten soll dies bis Ende 2030. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Bauvorhaben zügig umzusetzen. Eine degressive AfA ermöglicht höhere Abschreibungen für Bauherren in naher Zukunft.

Im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden drei Jahren sollen jeweils sieben Prozent der Baukosten abgeschrieben werden können. Im Moment sind es dem Zentralen Immobilien-Ausschuss (ZIA) zufolge in der Regel drei Prozent. In den darauffolgenden vier Jahren sollen es gemäß Geywitz’ Papier fünf Prozent sein und in den 26 Jahren danach zwei Prozent.

»Die zeitlich befristete, degressive AfA wäre ein wichtiger Beitrag, die Bauwirtschaft zu stabilisieren und damit mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu schaffen«, sagte Geywitz. »Wenn die deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs kommen will, geht das nur mit einer starken Baukonjunktur.«

Die degressive AfA bilde auch die Realität besser ab. In neuen Gebäuden verbaute Technik werde oft innerhalb weniger Jahre überholt. »Dadurch verlieren Gebäude zu Anfang schneller an Wert, da sie relativ schnell den Status eines Gebäudes auf dem neusten technischen Stand verlieren.«

Zustimmung aus der Branche

Aus der Immobilienwirtschaft kam Zustimmung. »Dieser Vorstoß könnte genau die Impulse bringen, die den daniederliegenden Wohnungsbau reanimieren«, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Bauverbands ZDB, begrüßte den Schritt, forderte aber weitere Hilfen wie eine Aussetzung der Grunderwerbsteuer.

Geywitz sieht die Vorschläge als Teil des geplanten Wachstumschancengesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP), der die Wirtschaft mit einem Steuerpaket um jährlich rund 6,5 Milliarden Euro entlasten will. Sie unterstütze den Vorschlag des Ministers, sagte Geywitz. »Es gibt jedoch eine Lücke.« Der Entwurf ist in der Regierung noch nicht abgestimmt. Würde Geywitz’ Vorschlag umgesetzt, würde dies zunächst Steuermindereinnahmen vermutlich in Milliardenhöhe bedeuten.

Die FDP reagierte verhalten. »Über die Finanzierung muss sich Ministerin Geywitz mit dem Kabinett und Finanzminister Lindner verständigen«, sagte der baupolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Daniel Föst. Bezahlbarer Wohnraum sei die soziale Frage der Zeit. »Dafür ist nicht nur der Finanzminister zuständig.«

Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte, für die im Entwurf des Wachstumschancengesetzes beschriebenen Maßnahmen sei in der Finanzplanung Vorsorge getroffen. Für weitere Maßnahmen wären Gegenfinanzierungen notwendig.

Der Druck auf die Politik, im Kampf gegen Wohnungsmangel und hohe Mieten zu reagieren, ist groß. Immobilien- und Bauverbände rechnen in diesem Jahr mit rund 245 000 neuen Wohnungen. Das Ifo-Institut erwartet einen stetigen Rückgang auf 200 000 Fertigstellungen 2025.

»Goldene Zeit« der Baufinanzierung vorbei

Gestiegene Zinsen und Baukosten zeigen sich auch bei der Nachfrage nach privaten Baukrediten, die nach einem Boom bis ins Frühjahr 2022 hinein eingebrochen ist. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres schrumpfte das Neugeschäft deutscher Banken mit Privathaushalten und Selbstständigen um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, zeigt eine Auswertung der Analysefirma Barkow Consulting. Das sei die schlechteste Halbjahresbilanz seit 2005, sagte Geschäftsführer Peter Barkow.

Auch im Juni gab es kaum eine Erholung. Mit einem Volumen von 14 Milliarden Euro lag das Neugeschäft rund 39 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Barkow glaubt nicht an eine zügige Erholung. Verbraucher müssten sich wohl erst an die höheren Zinsen gewöhnen, die sich zuletzt zumindest stabilisierten. »Die goldene Zeit der Baufinanzierung wird so schnell wohl nicht zurückkommen.«

Etwas Optimismus verbreitete die Beratungsfirma EY-Parthenon. Die Baupreise, die 2022 zwischen 16 und 18 Prozent je nach Bereich gestiegen waren, dürften sich an die allgemeine Inflation angleichen. Baumaterialien blieben zwar teuer. Doch rasant steigende Preise für Baudienstleistungen ließen sich nicht mehr durchsetzen, sagte Partner Björn Reineke. Auch für den Wohnungsbau ist EY-Parthenon vorsichtig optimistisch. Die Berater erwarten, dass sich der Rückgang ab 2024 langsam zu einem Wachstum entwickeln wird.

© dpa-infocom, dpa:230802-99-667093/4