Logo
Aktuell Wirtschaft

Gas gegen Strom im Winter

Im letzten Winter halfen Frankreich und Deutschland sich mit Strom und Gas aus, damit es bei Engpässen in den Wohnungen nicht kalt und dunkel wurde. Nun sind beide Länder besser gerüstet.

Obergailbach
Die GRTgaz-Anlage im französischen Obergailbach ist der Grenzübergangspunkt einer Pipeline von und nach Frankreich. Foto: Oliver Dietze/DPA
Die GRTgaz-Anlage im französischen Obergailbach ist der Grenzübergangspunkt einer Pipeline von und nach Frankreich.
Foto: Oliver Dietze/DPA

Gibst du mir Strom, geb ich dir Gas - der vergangene Krisenwinter hatte Deutschland und Frankreich aus Sorge vor Engpässen bei der Energieversorgung zusammenrücken lassen. Beide Länder sicherten sich Hilfe zur Abwehr von Blackouts und ausgekühlten Wohnungen zu.

Das Atomstromland Frankreich importierte Elektrizität aus Deutschland, weil viele seiner AKW zur Wartung vom Netz waren. Außerdem rüstete es eine Leitung zum Export von Gas nach Deutschland her, das wegfallende russische Gasmengen kompensieren musste. Sind beide Länder in diesem Winter erneut auf Solidarität in Sachen Strom und Gas angewiesen?

Auch wenn beide Energieträger tagtäglich über die Grenzen fließen, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten, sicherten sich Frankreich und Deutschland vor knapp einem Jahr in einer gemeinsamen Erklärung zur Energiesolidarität einen Hilfsmechanismus zu. Ob man auf diesen wieder zurückgreifen muss - da sind sich alle Experten einig - hängt auch vom Wetter ab.

Milde Temperaturen verhinderten im vergangenen Winter letztlich Engpässe, auch aber der Umstand, dass Deutsche und Franzosen den Appellen zum Energiesparen folgten. Seitdem haben beide Länder im Eiltempo in eine verbesserte Versorgung investiert und sehen dem Winter entspannter entgegen als vor einem Jahr.

Risse in Rohrleitungen

In Frankreich ist die Mehrzahl der 56 Atomkraftwerke wieder am Netz, auch wenn zu Korrosionsproblemen noch Risse in Rohrleitungen hinzukamen. Wie eine Sprecherin des Stromkonzerns EDF der dpa sagte, werde im laufenden Jahr eine Stromproduktion von 300 bis 330 Terawattstunden und 2024 von 315 bis 345 Terawattstunden angestrebt. 2022 war die Produktion auf 279 Terawattstunden und damit den niedrigsten Wert seit 30 Jahren gesunken. Schon im Sommer ging der Stromnetzbetreiber RTE von einer sichereren Versorgungslage im Winter aus. Neben der besseren Verfügbarkeit der AKW seien auch die Stauseen gut gefüllt, mit denen Strom gewonnen wird.

Neues Flüssiggasterminal in Le Havre

Entspannt äußerte sich vor wenigen Tagen auch der Netzbetreiber GRTgaz. Das französische Gassystem sei in der Lage, den Verbrauch zu decken und die Gastransporte in die Nachbarländer zu gewährleisten, unabhängig von der Intensität des Winters. Nötig seien jedoch nachhaltige Flüssiggas-Importe sowie eine Sparsamkeit wie im letzten Winter. Der Prognose liege der derzeit hohe Füllstand der Speicher von 95 Prozent zugrunde sowie die Inbetriebnahme eines neuen Flüssiggasterminals in Le Havre im laufenden Monat. Eng werden könnte es bei der Gasversorgung allerdings, wenn es in der zweiten Hälfte des Winters zu einem Kälteeinbruch kommt.

Deutschland investierte, um Ersatz für wegfallendes russisches Gas herbeischaffen zu können, in drei schwimmende Terminals zum Import von Flüssiggas, ein weiteres soll noch im Winter in Betrieb gehen. »Wir sind unter dem Strich gut vorbereitet, durch die LNG-Terminals und die Sparsamkeit der Bevölkerung«, sagte der Sprecher des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europe (OGE), Niko Bosnjak. »Wir sind vorsichtig optimistisch, dass wir gut durch den Winter kommen, am Ende hängt es auch vom Wetter ab.«

Wie die Bundesnetzagentur mitteilte, sei die Ausgangssituation zu Beginn der Heizperiode mit Blick auf die Speicherfüllstände und die Bezugsquellen für Erdgas deutlich besser als im vergangenen Herbst. Für eine vollständige Entwarnung sei es aber zu früh. Eine sehr kalte Wetterlage, bei der der Gasverbrauch stark ansteigt, könnte die Versorgungslage beeinflussen. Auch gebe es die Gefahr ausbleibender russischer Gaslieferungen an südosteuropäischen Staaten, die dann über Deutschland mitversorgt werden müssten. Denkbar seien auch Szenarien des teilweisen oder vollständigen Ausfalls von Erdgasleitungen.

Versorgungsreserve verlängert

Bei der Stromerzeugung könnten in Deutschland zur Sicherung der Energieversorgung im Winter wieder Braunkohlekraftwerke in den Strommarkt zurückkehren. Das Kabinett billigte Anfang Oktober eine befristete Verlängerung der sogenannten Versorgungsreserve. Die Reserve wird reaktiviert, um Gas in der Stromerzeugung einzusparen und dadurch Versorgungsengpässen mit Gas in der Heizperiode vorzubeugen. Aus Sicht der Bundesnetzagentur gibt es bei der Stromversorgung derzeit keine Auffälligkeiten, Analysen zeigten, dass die Netzsicherheit im kommenden Winter gewährleistet sei.

Wohl kaum eine Rolle spielen dürfte im anstehenden Winter die einzige Ferngasleitung zwischen Deutschland und Frankreich, die bei Gersheim-Medelsheim im Saarland die Grenze quert und im letzten Jahr als Symbol der deutsch-französischen Kooperation im Fokus der Öffentlichkeit stand. Die Leitung werde immer wieder sporadisch genutzt, meinte OGE-Sprecher Bosnjak, die Gasmengen aber seien sehr überschaubar.

© dpa-infocom, dpa:231019-99-618828/3