Der Frauenanteil in den Spitzenetagen von öffentlichen Unternehmen in Deutschland steigt bislang nur langsam. Das ergibt sich aus dem an diesem Donnerstag vorgestellten Public-Women-On-Board-Index der Organisation Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte).
Demnach ist der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der 261 größten Beteiligungen von Bund und Ländern nur moderat von 34,7 Prozent (2021) auf 35,8 Prozent in diesem Jahr gestiegen. In den Top-Managementorganen - also in Vorständen und Geschäftsführungen - waren in den genannten Unternehmen mit Stand 1. Januar 23,2 Prozent der Belegschaft weiblich - gegenüber 22 Prozent im Vorjahr. Zwölf der 261 untersuchten Unternehmen haben den Angaben zufolge komplett frauenfreie Führungsetagen. Unter den Beschäftigten aller betrachteten Unternehmen sieht es etwas anders aus als in der Spitzenetage: Dort beträgt der Frauenanteil laut Studie 44,6 Prozent.
Neuvorgaben - Wenig Wirkung entfaltet
Die neuen Vorgaben, die mehr Frauen in Führungspositionen bringen sollen, hätten bislang wenig Wirkung entfaltet, schlussfolgert Fidar. Zum 1. August dieses Jahres waren die Regelungen in Kraft getreten. Demnach muss in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als 3 Vorständen künftig mindestens eine Frau im Vorstand sitzen. Insgesamt fallen unter diese Regelung, die Teil des sogenannten zweiten Führungspositionengesetzes ist, 66 börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen.
Gesetzlicher Druck
»Ohne gesetzlichen Druck bewegt sich noch immer zu wenig in den obersten Management-Etagen«, erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus am Donnerstag. Vor allem die öffentlichen Unternehmen müssten sich jetzt anstrengen, die für sie gültigen Vorgaben des Gesetzes umzusetzen, sagte die Grünen-Politikerin. »Sicher ist: Mit ausschließlich männlichen Vorständen und Führungsetagen wird bald Schluss sein.« Das Ziel der Bundesregierung sei es, eine paritätische Besetzung der Aufsichtsgremien und des Managements der wichtigsten Bundesbeteiligungen zu erreichen, sagte Paus.
Von den untersuchten öffentlichen Unternehmen müssen sich 37 Bundesbeteiligungen an die seit August geltenden strengeren Vorgaben halten. Zum Erhebungszeitpunkt (1. Januar) hatten laut Fidar-Studie zehn Unternehmen - darunter vor allem Verkehrsunternehmen wie DB Energie, Regionalverkehr Oberbayern und S-Bahn Hamburg - noch keine Frau im Top-Management. Doch die Daten sind mittlerweile überholt, wie eine Recherche der dpa ergeben hat.
Demnach gaben zwei der drei genannten Unternehmen an, mittlerweile eine Frau im Top-Management zu haben. Eine Sprecherin der DB Energie teilte sogar mit, dass bereits zum 1. Januar 2022, und damit zum Zeitpunkt der Erhebung, mit Katrin Hilmer eine Frau als Geschäftsführerin Personal und Sicherheit bei der DB Energie die Arbeit aufgenommen hätte. Ein Fidar-Sprecher erklärte auf dpa-Anfrage, dass das Unternehmen DB Energie bei einer entsprechenden Befragung im Frühjahr dieses Jahres auch »auf mehrfache Nachfrage hin« keine Auskunft über den Frauenanteil im Top-Management erteilt habe. Deshalb habe sich Fidar an die Angaben auf der Unternehmens-Homepage gehalten, auf der die neue Geschäftsführerin im Frühjahr noch nicht zu finden gewesen sei.
Eine Änderung zum Stand der Studie gab es auch beim Unternehmen S-Bahn Hamburg: Ein DB-Sprecher sagte der dpa, dass bei der S-Bahn Hamburg seit 1. Mai 2022 eine Geschäftsführerin Personal beschäftigt sei.
Von der Bundesbeteiligung Regionalverkehr Oberbayern gab es zunächst keine Rückmeldung zum aktuellen Frauenanteil im Top-Management.
Der Public Women-on-Board-Index ist eine repräsentative Studie zur gleichberechtigten Teilhabe in Führungspositionen von Frauen und Männern in öffentlichen Unternehmen in Deutschland. Für die vorliegende achte Studie wurden 261 Beteiligungen von Bund und Ländern untersucht.
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