Logo
Aktuell Wirtschaft

Faktencheck: Mehr Strom durch Wind/Sonne als durch Kernkraft

Im Winter ist es seltener sonnig, aber weiterhin windig. In sozialen Medien wird verbreitet, Solar- und Windkraftanlagen erzeugten momentan weniger Strom als Atomkraftwerke. Das ist falsch. Ein Faktencheck.

Windkraftanlage
Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme liegt der Windkraft-Anteil an der Stromerzeugung im laufenden Jahr bei 24,3 Prozent. Foto: Hauke-Christian Dittrich
Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme liegt der Windkraft-Anteil an der Stromerzeugung im laufenden Jahr bei 24,3 Prozent.
Foto: Hauke-Christian Dittrich

Die letzten deutschen Atommeiler sollen Mitte April vom Netz gehen. Die Bundesregierung setzt in ihrem Koalitionsvertrag auf die Kraft der erneuerbaren Energien, um den CO2-Ausstoß Deutschlands zu verringern. Doch Atomkraftbefürworter machen mobil gegen Sonnen- und Windenergie.

Behauptung: In diesem Monat hätten Solar- und Windenergie weniger zur Stromversorgung beigetragen als die drei verbliebenen Atomkraftwerke, twittert der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler am 13. Dezember.

Bewertung: Falsch.

Fakten: Im Jahr 2022 tragen die drei letzten deutschen Atomkraftwerke (AKW) nur noch wenig zur öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland bei - im Gegensatz zu erneuerbaren Energien etwa aus Wind und Sonne.

Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme liegt der Atomstrom-Anteil im laufenden Jahr bei rund 6,7 Prozent (Stand: 19.12., 11 Uhr). Wesentlich mehr Strom für Öffentlichkeit und Privathaushalte kommt hingegen von erneuerbaren Energien. Wind (24,3 Prozent), Sonne (11 Prozent über Netzeinspeisung) und weitere nachhaltige Energieträger wie Biomasse machen zusammen knapp die Hälfte (49,2 Prozent) aus. Mit Braun- und Steinkohle wurden bisher 33,4 Prozent erzeugt. Erdgas ist mit 9,6 Prozent am Strom aus der Steckdose beteiligt.

Übers Jahr gesehen haben Wind und Sonne in Sachen Stromproduktion im Vergleich zu AKW also die Nase vorn. Doch wie sah es zuletzt aus? Macht sich tatsächlich eine angebliche Wind- und Sonnenflaute in November und Dezember bemerkbar? Auch hier zeigen aktuelle Daten des Fraunhofer-Instituts ein ganz anderes Bild als Kritiker der Energiewende glauben machen wollen.

November: Es stimmt, dass die Sonnenenergie für sich gesehen mit einem Wert von rund 4,2 Prozent weniger Anteil an der öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland hatte als die Kernenergie (6,7 Prozent). Dass die Sonne seltener und weniger intensiv scheint, ist in der dunklen Jahreszeit nicht untypisch. Doch weit über dem Atom-Wert liegt der Ertrag von Windrädern an Land oder auf dem Meer - ein Anteil von 29,7 Prozent.

Dezember: Schaut man auf die bisherigen Daten, dann lagen bis Montagmorgen die Werte für Sonnen-, Wind- und Kernenergie zwar tatsächlich näher beieinander als in den Monaten zuvor. Und dennoch tragen Wind (14,4 Prozent) und Sonne (1,2 Prozent) auch in diesem Monat bislang zusammen mehr zur Stromversorgung bei als die drei letzten deutschen Atommeiler (6 Prozent).

Auch die Website »electricitymaps.com«, auf der in Echtzeit Stromverbrauch und -produktion visualisiert werden, zeigt: Zwischen 17. November und 17. Dezember waren Wind (rund 12,9 Prozent) und Sonne (1,1 Prozent) zusammen zu einem größeren Teil an der Stromproduktion beteiligt als die Atomenergie (5,8 Prozent).

Was passiert an windstillen und trüben Tagen?

Natürlich kann es auch Windstille und trübe Wintertage geben, an denen die Haushalte einerseits viel Strom verbrauchen und andererseits aber kaum Sonnen- oder Windstrom produziert wird. Solange keine entsprechenden Kapazitäten an Stromspeichern vorhanden sind, kommen dann weiterhin etwa fossile Brennstoffe wie Kohle oder Gas ins Spiel.

Dass aber die drei Atommeiler mit der Stromproduktion alle Sonnen- und Windanlagen zusammen übertreffen, ist falsch. Zudem laufen die Kraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland über die ursprünglich zum Jahreswechsel geplante Abschaltung hinaus nur noch im sogenannten Streckbetrieb. Dabei wird der Reaktorkern nach dem eigentlichen Zyklusende der Brennelemente weiter genutzt. Allerdings verliert er dabei sukzessive an Leistung - täglich rund 0,5 Prozent, wie die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit angibt.

Nach einem Zyklusende müssten eigentlich neue Brennelemente eingesetzt werden. Doch wegen des schon vor Jahren entschiedenen Atomausstiegs ist dieser Schritt bei den deutschen Atommeilern nach aktueller Rechtslage ausgeschlossen.

Alle Informationen zu den dpa-Faktenchecks

Kontaktseite zum Faktencheck-Team der dpa

© dpa-infocom, dpa:221220-99-964485/3