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Fahrerstreik in Gräfenhausen beendet

Seit mehr als zwei Monaten haben Lkw-Fahrer aus Usbekistan und Georgien für ihre Rechte gestreikt. Nun wurde eine Einigung erzielt. Alle Probleme sind damit aber nicht gelöst, wie der DGB betont.

Fahrerstreik
Ein Trucker jubelt auf der Raststätte Gräfenhausen, wo er seit mehr als zwei Monaten mit rund 80 anderen LKW-Fahrern für die Auszahlung seines Lohnes gestreikt hat. Foto: Boris Roessler/DPA
Ein Trucker jubelt auf der Raststätte Gräfenhausen, wo er seit mehr als zwei Monaten mit rund 80 anderen LKW-Fahrern für die Auszahlung seines Lohnes gestreikt hat.
Foto: Boris Roessler/DPA

Nach mehr als zwei Monaten ist der Streik usbekischer und georgischer Lastwagenfahrer auf der südhessischen Autobahnraststätte Gräfenhausen beendet.

Es sei eine Vereinbarung erzielt worden, sagte Edwin Atema. Der niederländische Gewerkschafter war von den streikenden Fahrern zum Verhandlungsführer bestimmt worden.

Der polnische Speditionsunternehmer habe schriftlich zugesichert, dass er seine Ansprüche gegen die Fahrer zurücknehme. Außerdem sicherte er Atema zufolge zu, auch künftig keine Ansprüche in Deutschland oder in anderen Ländern gegen die Fahrer zu erheben. Der Unternehmer hatte Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Erpressung gestellt.

Atema berichtete weiter, es fließe Geld an die Fahrer. Zur Höhe sagte er zunächst nichts. Eine Fortsetzung des Streiks mache daher keinen Sinn mehr, sagte Atema - auch angesichts der belastenden Situation für die Fahrer nach Wochen auf der Raststätte an der Autobahn 5. Die rund 80 Männer hatten von ihrem Auftraggeber ausstehenden Lohn in einer Gesamthöhe von mehr als einer halben Million Euro gefordert. Sie wurden nach eigenen Angaben seit Monaten nicht bezahlt.

Fahrer traten zwischenzeitlich in Hungerstreik

Etwa 30 Fahrer waren zwischenzeitlich in einem Hungerstreik getreten. Unter anderem hatte der durch seine Kandidatur für die Linken für das Amt des Bundespräsidenten 2022 bundesweit bekanntgewordene Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert mit einem Team seines Vereins Armut und Gesundheit medizinische Hilfe geleistet. Er sagte Ende September: »Ein Hungerstreik ist eine lebensbedrohliche Situation.« Trabert sprach sich für medizinische Anlaufstellen an europäischen Autobahnen aus.

»Diese Fahrer haben für ihr Geld gekämpft«, betonte Verhandlungsführer Atema. Gräfenhausen sei das »Waterloo« für den polnischen Speditionsunternehmer gewesen, sagte Atema mit Verweis auf die Niederlage Napoleons in der Schlacht von Waterloo.

DGB: Politische Konsequenzen ziehen

Endlich sei der »verzweifelte Protest« der osteuropäischen Lkw-Fahrer beendet und eine Lösung gefunden, teilte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) mit. Dank einer großen Zahl von Spenden könne den Fahrern nun geholfen werden. »Jetzt müssen aus dem Vorfall in Gräfenhausen endlich politische Konsequenzen gezogen werden«, forderte Körzell - und zwar auf europäischer Ebene, im Bund und auf Landesebene. Die polnischen Behörden müssten der Unternehmensgruppe die Transportlizenz für immer entziehen. Ähnlich äußerte sich Verhandlungsführer Atema. »Gräfenhausen ist kein Einzelfall«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er hoffe, dass von dort ein Signal ausgehe.

Der DGB im Bezirk Hessen-Thüringen teilte mit: »Für die Fahrer geht damit ein mutiger, langer und verzweifelter Kampf zu Ende, der einmal mehr ein erschreckendes Licht auf die Arbeitsbedingungen auf Europas Straßen geworfen hat.« Die Fahrer hätten verantwortungsbewusst und solidarisch gehandelt und allen Kriminalisierungsversuchen durch das Unternehmen getrotzt.

Zudem hätten sie eine breite Solidarität und eine große Unterstützung vor allem durch gewerkschaftliche und kirchliche Akteure erfahren, teilte der DGB Hessen-Thüringen weiter mit. Mit der in diesem Fall gefundenen Lösung seien die Missstände im internationalen Straßentransport aber nicht beseitigt. »Eine Fortsetzung der Ausbeutung auf den Straßen Europas lässt sich nur verhindern, wenn die Einhaltung bestehender Regeln konsequent überprüft wird.«

Die Raststätte an der A5 war schon zum zweiten Mal Schauplatz eines Arbeitskampfes gewesen. Im Frühjahr hatten etwa 60 Fahrer des gleichen Unternehmens in einem knapp sechswöchigen Streik ihre Forderungen durchgesetzt. Der Streik hatte die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Fernfahrer in den Blickpunkt gerückt.

© dpa-infocom, dpa:230930-99-390264/3