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EVG-Vorstand spricht sich für Schlichterspruch aus

Im Tarifstreit bei der Bahn haben die Schlichter einen Kompromiss vorgeschlagen - nun müssen die Gewerkschaftsmitglieder darüber abstimmen. Der EVG-Vorstand hat dazu eine Empfehlung ausgesprochen.

Schlichterspruch
Im Tarifstreit bei der Bahn haben die Schlichter einen Kompromiss vorgeschlagen. Foto: Peter Kneffel/DPA
Im Tarifstreit bei der Bahn haben die Schlichter einen Kompromiss vorgeschlagen.
Foto: Peter Kneffel/DPA

Ob es zu einem Tarifabschluss mit der Deutschen Bahn kommt oder zu unbefristeten Streiks, liegt nun ganz bei den Mitgliedern der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Rund 110.000 von ihnen sind in den nächsten Wochen dazu aufgerufen, per Urabstimmung über Annahme oder Ablehnung eines Kompromissvorschlags der Schlichter zu entscheiden. Die Schlichtung war nach den Ende Juni gescheiterten Tarifverhandlungen notwendig geworden. Am Freitag hat der EVG-Bundesvorstand den Mitgliedern empfohlen, dem Einigungsvorschlag zuzustimmen.

Die Empfehlung des Bundesvorstands

Die Empfehlung des Gremiums zur Annahme des Schlichterspruchs erging nach mehreren Stunden und hitzigen Diskussionen am Freitagabend. »Die Diskussion war sehr ernsthaft, sehr intensiv und sehr verantwortungsbewusst«, teilte EVG-Chef Martin Burkert am Freitagabend mit. »Diese Empfehlung für den Schlichterspruch hat Licht und Schatten, und dieser Kompromiss fiel uns schwer. Doch am Ende gab es ein klares Votum für die Einigungsempfehlung der Schlichtungskommission.«

Das sieht der Schlichterspruch vor

Das Schlichterteam, die Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr (SPD) und der frühere Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière, hat am Mittwoch eine Entgelterhöhung von 410 Euro pro Monat in zwei Stufen vorgeschlagen bei einer Laufzeit von 25 Monaten. Die erste Stufe von 200 Euro soll im Dezember fällig werden, die zweite im August des kommenden Jahres. Zudem sollen alle Beschäftigten eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro im Oktober ausgezahlt bekommen. Für einzelne Berufsgruppen gäbe es nach Ablauf der Laufzeit zudem strukturelle Erhöhungen in den Tariftabellen. Ihr Einkommen würde sich damit noch einmal deutlich erhöhen.

Die EVG war ursprünglich mit Forderungen von mindestens 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommensgruppen in die Verhandlungen gestartet. Die Laufzeit sollte nicht länger sein als zwölf Monate.

Wie es nun weiter geht

Rund 110.000 bei der Deutschen Bahn beschäftigte EVG-Mitglieder entscheiden nun per Urabstimmung, ob sie der Empfehlung ihres Vorstands folgen und den Vorschlag der Schlichter annehmen oder nicht. Dafür erhält jedes stimmberechtigte Mitglied in den nächsten Tagen ein personalisiertes Schreiben mit einem QR-Code oder Link für die Online-Abstimmung. Eine Briefwahl wird es nicht geben. Die Briefe sollen bis spätestens zum 11. August alle zugestellt sein. Dann haben die Mitglieder zwei Wochen Zeit für die Stimmabgabe.

Am 28. August will die EVG das Ergebnis präsentieren. Üblicherweise stimmen Gewerkschaftsmitglieder bei einer Urabstimmung über unbefristete Streiks ab. Nun müssen sie formell zwar über den Schlichterspruch entscheiden. Doch eine Ablehnung wäre automatisch auch ein Votum für den Arbeitskampf ohne zeitliche Beschränkung.

Schlechte Stimmung in der Gewerkschaft

Der Ausgang der Urabstimmung ist offen. Die Stimmung ist dem Vernehmen nach gespalten, die Mitglieder sollen mit der Verhandlungsführung unzufrieden sein. Gewerkschaftskreisen zufolge haben sich bereits einige große Landesverbände skeptisch zum Schlichtervorschlag geäußert. Dieser ist, zumindest was Erhöhung und Laufzeit angeht, deutlich niedriger als das, was die Gewerkschaft einst gefordert hatte.

Ablehnung hätte weitreichende Folgen

Doch die Hürden für eine Ablehnung sind hoch: Mindestens 75 Prozent der teilnehmenden Mitglieder müssten gegen den Schlichterspruch stimmen. Sollte das passieren, würde der Tarifstreit vollends eskalieren. Auf die Fahrgäste käme dann wohl ein chaotischer Spätsommer und Herbst mit unbefristeten Bahnstreiks zu. Für die EVG-Verhandlungsführer wäre eine Ablehnung zudem eine herbe Klatsche. Monatelang haben sie um den Kompromiss gerungen und sich am Ende klar dafür ausgesprochen. Sollten die Mitglieder ihnen nicht mit deutlicher Mehrheit folgen, würde das die Gewerkschaft vor eine harte Zerreißprobe stellen. Für weitere Verhandlungen wären das äußerst erschwerte Bedingungen.

© dpa-infocom, dpa:230728-99-583977/2