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EuGH stärkt Passagierrechte bei verspäteten Anschlussflügen

Der Flieger hat Verspätung oder fällt gleich ganz aus? Diese Erfahrung mussten gerade im Sommer viele Menschen machen. Das höchste europäische Gericht stärkt nun erneut die Rechte von Fluggästen.

Flugzeug
Aufgrund eines verspäteten Anschlussfluges forderte eine Frau eine Entschädigung von der Fluglinie. Foto: Soeren Stache
Aufgrund eines verspäteten Anschlussfluges forderte eine Frau eine Entschädigung von der Fluglinie.
Foto: Soeren Stache

Gute Nachrichten für Fluggäste nach einem turbulenten Reisesommer: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt abermals ihre Rechte bei großer Verspätung des Fliegers. Sie können auch dann Entschädigung fordern, wenn eine Reise aus mehreren Flügen besteht und diese von unterschiedlichen Airlines durchgeführt wurde, entschieden die Richter in Luxemburg.

In diesem Sommer hatten Personalengpässe an Flughäfen und bei Airlines für Verspätungen und Flugausfälle gesorgt. Die Zahl der Beschwerden von Fluggästen bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) stieg deutlich.

Das Urteil vom EuGH:

Das höchste europäische Gericht urteilte nun: Auch wenn die Airlines rechtlich nichts miteinander zu tun haben, handelt es sich um »direkte Anschlussflüge« im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung, sodass eine Entschädigung gefordert werden kann. Andernfalls würde das hohe Schutzniveau für Fluggäste nicht genügend gewürdigt, argumentierten die Richter.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist allerdings, dass die Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung waren. Dazu müsse ein Reisebüro die Flüge kombinieren, einen Gesamtpreis in Rechnung stellen und einen einheitlichen Flugschein ausgeben, so der EuGH.

Hintergrund ist die Klage eines Fluggasts, der mit drei einzelnen Flügen von Stuttgart nach Kansas City reisen wollte. Bei dem ersten Flug mit Swiss von Stuttgart nach Zürich ging alles glatt, ebenso beim zweiten Flug mit American Airlines nach Philadelphia. Der Flug von Philadelphia nach Kansas City, ebenfalls mit American Airlines, landete allerdings mit vier Stunden Verspätung. Das Reisebüro hatte für die Teilflüge einen Gesamtpreis berechnet und ein einheitliches Ticket ausgegeben. Nun muss der deutsche Bundesgerichtshof über den konkreten Fall unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung entscheiden.

Es ist nicht das erste Urteil des EuGH zugunsten von Fluggästen. Im April entschied das Gericht, dass Reisenden auch dann eine Entschädigung zusteht, wenn sie mit Verspätung an einem Flughafen außerhalb der EU landen und der Flug von einer Drittstaats-Airline durchgeführt wurde.

3808 Schlichtungsanträge von Betroffenen im September

Der Ärger vieler Urlauber war zuletzt groß. Nach gestrichenen und verspäteten Flügen in diesem Sommer stieg die Zahl der Anträge bei Schlichtungsstelle (SÖP). Nach ihren Daten gingen im September 3808 Schlichtungsanträge für den Bereich Flug ein. Das waren 224 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, der noch von der Pandemie geprägt war. Gegenüber dem Vorkrisen-September 2019 wurde ein Anstieg um 13 Prozent verzeichnet.

Die SÖP ist von der Bundesregierung als Schlichtungsstelle für Verkehr und Reisen anerkannt. Zum größten Teil geht es um eine Entschädigung bei Verspätungen oder Ausfällen von Flügen und Bahnfahrten.

Bereits im August waren bei der Schlichtungsstelle 2593 Anträge von Flug-Passagieren eingegangen, was 215 Prozent mehr als im Vorjahresmonat waren. Bei Ärger müssen sich Reisende mit ihrem Anliegen immer erst an das jeweilige Unternehmen wenden, bevor ein Schlichtungsantrag möglich ist. »Die Fälle aus dem Sommer erreichen uns jetzt«, berichtete SÖP-Geschäftsführerin Sabine Cofalla. Nach ihrer Einschätzung könnte die Zahl der Schlichtungsanträge im Oktober weiter hoch sein und etwa auf dem Niveau des Septembers liegen.

Niedersachsen für Abschaffung der Vorkasse bei Flugreisen

Für Diskussion in Deutschland sorgte zuletzt die Praxis, dass Reisende ihre Flugtickets bereits bei der Buchung und damit oft Monate im voraus bezahlen müssen. Das Land Niedersachsen hat einen Antrag im Bundesrat gestellt, die Vorkasse bei Flugreisen abzuschaffen. Flugausfälle gingen fast immer zulasten der Passagiere. Diese müssten sich im Falle einer Stornierung mühsam und teils langwierig um eine Rückerstattung bemühen, argumentierte die Landesregierung.

Die Branche lehnt die auch von Verbraucherschützern verlangte Abkehr von der Vorkasse ab. Der Branchenverband BDL argumentiert unter anderem, mit dem vorab eingenommenen Geld erreichten die Fluggesellschaften eine größere Planungssicherheit und könnten die Maschinen optimal auslasten, was auch positiv für das Klima sei. Die Kunden könnten zudem von Frühbucherrabatten profitieren.

Pressemitteilung zum Urteil

Vorabentscheidungsersuchen

Fluggastrechte-Verordnung

© dpa-infocom, dpa:221006-99-27020/3