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EU zahlt Millionen: Hochwertiger Wein zu Industriealkohol

Europas Winzer wurden zuletzt oft ihren Wein nicht los. Aber wohin damit, wenn die nächste Ernte wartet? Die EU eilt der Branche zu Hilfe - und aus dem Wein wird billiger Industriealkohol.

Europäische Weinproduktion
Seit Anfang 2023 wurden mehr als 105 Millionen Euro an EU-Geldern für die sogenannte Krisendestillation von europäischem Wein gezahlt. Foto: Clara Margais/DPA
Seit Anfang 2023 wurden mehr als 105 Millionen Euro an EU-Geldern für die sogenannte Krisendestillation von europäischem Wein gezahlt.
Foto: Clara Margais/DPA

Von Riesling über Rioja zu Chardonnay und Pinot Grigio: Wein aus Europa ist weltweit beliebt. Trotzdem gab die EU in den vergangenen Jahren Millionen aus, um ihn zu billigem Industriealkohol zu machen. Seit Anfang 2023 wurden mehr als 105 Millionen Euro an EU-Geldern für die sogenannte Krisendestillation von europäischem Wein gezahlt, wie die EU-Kommission auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Dabei wird überschüssiger Wein in den Mitgliedsstaaten auf EU-Kosten destilliert, um den Alkohol dann etwa für Industriezwecke zu verwenden.

Im vergangenen Jahr wurden demnach rund 34 Millionen Euro für die Destillation von Wein ausgegeben. Im laufenden Jahr waren es allein im Januar fast 71 Millionen. Die höchsten Kosten entfielen dabei auf Frankreich mit insgesamt 68,5 Millionen für das Jahr 2023 und Januar 2024 zusammen, gefolgt von Portugal mit mehr als 18 Millionen und Italien mit rund 15 Millionen Euro. In Deutschland wurde in diesem Zeitraum kein Wein mit EU-Geld zu Industriealkohol verarbeitet.

Destillation als Krisenmaßnahme

Vergangenen Juni hatte die EU-Kommission eine Sondermaßnahme beschlossen, die es Mitgliedsstaaten möglich machte, mithilfe der Krisendestillation überschüssigen Wein vom Markt zu nehmen. Dadurch sollte der Weinmarkt stabilisiert und Lagerkapazitäten für neuen Wein geschaffen werden. Grund für die angespannte Lage: Laut EU-Kommission hatte die Inflation Lebensmittel und Getränke so teuer gemacht, dass die Menschen weniger Wein kauften. Zudem habe es durch gute Ernten viel Angebot gegeben und Betriebe hätten sich noch nicht vollständig von der Corona-Pandemie erholt.

Bereits zu Pandemiezeiten hatte die EU hunderte Millionen Euro in die Umwandlung des europäischen Weins investiert. 2020 waren es 250 Millionen Euro, von denen allein 127 Millionen in die Destillation französischen Weins flossen. 2021 wurden rund 43 Millionen Euro für die Krisendestillation ausgegeben - diesmal vor allem für rumänischen Wein (23 Millionen Euro). Deutscher Wein wurde auch in den beiden Pandemie-Jahren nicht mithilfe von EU-Geldern destilliert. Hier habe es zu diesem Zeitpunkt keine signifikanten Absatzschwierigkeiten gegeben, erklärt der Deutsche Weinbauverband auf Nachfrage.

Ein unwirtschaftlicher Prozess

»Wein wird durch Lagerung nicht besser«, erklärt Simone Loose, Professorin für Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim. Der Weinkonsum gehe weltweit zurück, die Rebanlagen seien hingegen oft für 30 bis 40 Jahre angelegt. Wenn die Lager voll sind und der alte Wein für neuen Platz machen muss, könne der Wein destilliert und für Industriezwecke genutzt werden. »Damit hat das Produkt noch einen Nutzen - auch wenn man Industriealkohol über Zellulose deutlich günstiger produzieren könnte«, so Loose. »Das ist also ein sehr unwirtschaftlicher Prozess.«

Sinn mache die Krisendestillation daher nur, wenn es sich um einmalige Schocks handele und sich der Konsum danach wieder erhole, sagt Loose. Danach sehe es aktuell aber nicht aus. Nach Ansicht der Fachfrau wäre es daher besser, das Geld in die Umwidmung von Weinbergsflächen zu stecken. »Im einfachsten Fall sagt man: Wir haben zu viel Rotwein und der Trend geht zu Weißwein, also ändern wir zu Weißwein.« 

Menschen trinken generell weniger Wein

Da die Menschen aber allgemein weniger Wein kauften, sei es sinnvoller, in Europa die Rebflächen zu reduzieren, sagt Loose. Diese könnten dann zum Beispiel für andere Agrarprodukte, Biodiversitätsflächen oder alternative Energieerzeugung genutzt werden.

© dpa-infocom, dpa:240229-99-170565/2