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EU-Kommission will Verpackungsmüll deutlich reduzieren

Einzeln eingepacktes Obst und Gemüse, Coffee-to-go-Becher - damit soll nach dem Willen der EU-Kommission bald Schluss sein. Sie will den Verpackungsmüll deutlich eindämmen, erntet aber Kritik.

Virginijus Sinkevicius
EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius hat dem Verpackungsmüll den Kampf angesagt. Foto: Frederick Florin
EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius hat dem Verpackungsmüll den Kampf angesagt.
Foto: Frederick Florin

An Mehrweg oder Recyceln führt nach dem Willen der EU-Kommission in Zukunft kein Weg mehr vorbei. Der Verpackungsmüll in Europa soll bis 2040 deutlich reduziert werden - pro Staat und pro Kopf um 15 Prozent im Vergleich zu 2018, teilte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit. Bis 2030 sollen alle Verpackungen komplett recycelbar sein. Der Vorschlag muss noch mit den EU-Ländern und dem EU-Parlament abgestimmt werden.

»Wir alle haben schon einmal online bestellte Produkte in übermäßig großen Kartons erhalten«, sagte der EU-Kommissar für Umwelt, Virginijus Sinkevicius. »Und wir haben uns oft gefragt, wie wir den Müll trennen sollen, was wir mit dem biologisch abbaubaren Beutel machen sollen oder ob all diese Verpackungen wiederverwendet oder zumindest in neue wertvolle Materialien umgewandelt werden können«, führte er weiter aus.

Verpflichtendes Pfandsystem

Um die Umweltverschmutzung zu bekämpfen, sollen Unternehmen nach dem Willen der Kommission einen gewissen Anteil ihrer Produkte in wiederverwendbaren Verpackungen anbieten. Dazu zählt zum Beispiel Essen oder Trinken, das zum Mitnehmen bestellt wurde. Mini-Shampooflaschen in Hotels will die EU-Kommission verbieten. Auch Essen und Getränke in Restaurants dürfen dann nicht mehr in Plastik eingewickelt sein. Außerdem will die EU ein verpflichtendes Pfandsystem einführen und eine verbindliche Quote für den Anteil an recyceltem Material, der in neuen Kunststoffverpackungen enthalten sein muss.

Welcher Müll gehört in welche Tonne?

»In vielen Bereichen werden europäische Regelungen vorgeschlagen, die in Deutschland bereits Praxis sind: umfangreiche Pfand- und Rücknahmesysteme für Getränkeverpackungen oder die neue Pflicht zu Mehrwegsystemen im Take-Away-Bereich, die ab 1. Januar 2023 gilt«, sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne).

Die Kommission will beim Recyceln auch Klarheit schaffen, welcher Müll in welche Tonne gehört. Dazu soll jedes Teil der Verpackung ein EU-einheitliches Etikett bekommen, das anzeigt, woraus die Verpackung besteht und wie sie recycelt werden soll.

Die FDP im Bundestag begrüßte die Pläne grundsätzlich. »Allerdings müssen wir darauf achten, dass dabei künftige Entwicklungen und Technologien schon heute mitberücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für neuartige Recyclingmethoden beispielsweise von Verbundmaterialien«, sagte die Sprecherin für Umwelt- und Verbraucherschutz, Judith Skudelny. In diesen Bereichen sei Deutschland führend und diese Entwicklung dürfe nicht abgewürgt werden.

Jeder EU-Bürger verursacht laut EU-Kommission pro Jahr fast 180 Kilo Verpackungsabfall. Deutschland liegt mit mehr als 225 Kilogram an der Spitze, wie die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt betonte. Knapp 40 Prozent der Kunststoffe und 50 Prozent des Papiers in der EU werden für Verpackungen gebraucht.

WWF Deutschland beklagt Lobbydruck

Aus Sicht der Umweltorganisation Oceana hat der Vorschlag großes Potenzial, den Müll in Europas Gewässern zu reduzieren. Allerdings müssten die zeitlichen Zielvorgaben viel strenger sein. Auch der Umweltorganisation WWF gehen die Regeln nicht weit genug: Die Vorgaben sollten sich nicht nur auf Kunststoffe beziehen, sondern auf alle Materialien. »Es bleibt das Ärgernis, dass wohl auch durch Lobbydruck das Ambitionsniveau bei den Zielen für die Wiederverwendung im letzten Moment noch gesenkt worden ist«, sagte Tom Ohlendorf vom WWF Deutschland.

Die christdemokratische EVP-Fraktion im Europäischen Parlament kritisierte das Vorhaben deutlich: »Mit dem neuen Paket zur Kreislaufwirtschaft droht eine gewaltige Welle an Bürokratiebelastungen auf europäische Unternehmen zuzurollen«, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU). Die Sozialdemokraten im Europaparlament beurteilten das Konzept als einen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings bemängelten sie das Fehlen von Regeln gegen sogenanntes Greenwashing, also dass sich Unternehmen umweltfreundlicher darstellen als sie eigentlich sind.

Ebenfalls am Mittwoch machte das Umweltbundesamt erstmals Vorschläge, wie sich Hersteller und Händler, die bestimmte Plastikprodukte auf dem deutschen Markt vertreiben, künftig an der Entsorgung von Plastikmüll beteiligen sollen. Konkret geht es etwa um Abgaben, die die Hersteller von Einwegplastik-Produkten in einen Fonds einzahlen sollen. Damit sollen sie sich an den Kosten für die Entsorgung etwa in Parks und Straßen beteiligen. Sinnvoll ist laut Umweltbundesamt etwa für kunststoffhaltige Zigarettenfilter eine Abgabe von 8,95 Euro je Kilogramm der auf den Markt gebrachten Produktmenge. Für Einwegbecher aus Plastik schlägt das UBA 1,23 Euro pro Kilo vor. Die Vorschläge sind nicht verbindlich, sondern erstmal nur eine Diskussionsgrundlage.

Das Tabakunternehmen Philip Morris kritisierte mit Blick auf den UBA-Vorstoß mangelnde Datentransparenz. Die vorgestellten Eckdaten der künftigen Berechnung von Abgabesätzen seien nicht abschließend transparent und schwer nachvollziehbar. Auch sei der deutsche Sonderweg über einen Einwegkunststofffonds beim Umweltbundesamt sehr kostspielig im Vergleich zur Umsetzung der europäischen Richtlinie in den anderen Mitgliedstaaten. Dies sei eine relevante Mehrbelastung für Bürger und Unternehmen.

© dpa-infocom, dpa:221130-99-727292/5