Der neue Twitter-Besitzer Elon Musk beklagt sich über einen Umsatzeinbruch, nachdem große Unternehmen ihre Werbung beim Online-Dienst ausgesetzt haben. Am Freitag schloss sich der Volkswagen-Konzern anderen Werbekunden an, die Anzeigen auf Twitter auf Eis legen wollen. Twitter startete am selben Tag Entlassungen, von denen laut Medienberichten jeder zweite Job betroffen sein könnte. Ihr Ausmaß blieb zunächst unklar.
Musk sprach von einem »massiven Umsatzeinbruch«. Werbung macht fast das gesamte Geschäft von Twitter aus. Für die meisten Werbetreibenden sind aber andere Plattformen wie Facebook wichtiger.
Musk machte für den nicht näher bezifferten Umsatzrückgang »Aktivistengruppen« verantwortlich, die Druck auf Werbekunden ausübten. Dabei habe sich beim Umgang mit kontroversen Inhalten auf der Plattform nichts verändert, und man habe alles unternommen, um diese Aktivisten zufriedenzustellen, schrieb Musk auf Twitter. »Sie versuchen, die Redefreiheit in Amerika zu zerstören«, behauptete er, ohne die Gruppen näher zu benennen.
VW nannte als Grund die Ankündigung des Kurznachrichtendienstes, Inhalte-Richtlinien zu überarbeiten. Der VW-Konzern habe »seinen Marken empfohlen, ihre bezahlten Aktivitäten auf der Plattform bis auf Weiteres zu pausieren«, hieß es. Ein endgültiger Werbestopp sei das nicht: »Wir beobachten die Situation genau und werden je nach Entwicklung über die nächsten Schritte entscheiden.« Der Tesla- und SpaceX-Chef schloss in der vergangenen Woche den Kauf des sozialen Netzwerks für rund 44 Milliarden Dollar ab.
Musk weckte die Sorgen selbst mit andauernder Kritik, Twitter schränke die Redefreiheit zu stark ein. In einem offenen Brief an die Werbekunden versprach er in der vergangenen Woche zwar, dass nicht jeder ohne Konsequenzen alles bei Twitter aussprechen dürfen werde. Dann verbreitete er am Wochenende selbst einen Link zu einer unbegründeten Verschwörungstheorie über den Angriff auf Paul Pelosi, den Mann der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.
Bei Nutzern regt sich Widerstand
Widerstand bei Nutzern gibt es zudem gegen seine Pläne, den begehrten Haken für verifizierte Accounts als Teil eines kostenpflichtigen Abos anzubieten. Musk schrieb dazu: »An alle Nörgler, beschwert Euch bitte weiter, aber es kostet acht Dollar.« Abonnenten sollen überdies nur noch die Hälfte der sonst üblichen Werbeeinblendungen zu Gesicht bekommen. Bei Twitter wird den Nutzern Reklame als »bezahlte Tweets« in die Timeline gespielt.
Ein dauerhafter Rückzug großer Werbekunden wäre ein Problem für Musk. Der Dienst schrieb zuletzt rote Zahlen. Auch hatte Musk für die Übernahme Kredite von rund 13 Milliarden Dollar aufgenommen - und deren Bedienung erfordert Medienberichten zufolge mehr Geld, als das Twitter-Geschäft an freien Mitteln dafür abwirft. Schrumpfende Erlöse kämen da besonders ungelegen.
In der vorigen Woche hatte bereits General Motors erklärt, seine Werbetätigkeit auf der Plattform zumindest auszusetzen. Ähnliche Schritte sollen der Pharmakonzern Pfizer sowie die Lebensmittelriesen Mondelez und General Mills unternommen haben.
Womöglich noch bedrohlicher für Twitters Anzeigengeschäft, das rund 90 Prozent des Umsatzes ausmacht: Auch die großen internationalen Werbekonzerne gehen auf Abstand. So soll der Branchenriese IPG, der milliardenschwere Anzeigenetats für Unternehmen wie Coca-Cola, American Express, Levi Strauss und Spotify verwaltet, Kunden bereits wenige Tage nach Musks Übernahme geraten haben, Werbung auf Twitter zu stoppen. »Es ist noch nicht klar, wo Elon Musk steht«, sagte der Gründer der weltgrößten Werbeholding WPP, Martin Sorrell, in dieser Woche mit Blick auf die künftigen Twitter-Richtlinien. Unternehmen warteten deshalb ab. »Kunden wollen keine Konflikte, sie wollen keine Kontroversen.« VW etwa achtet seit einiger Zeit verstärkt auf die Umgebung seiner Online-Werbung.
»Kehren Sie bitte nach Hause zurück«
Wie am Vortag angekündigt, erhielten entlassene Mitarbeiter am Freitag E-Mails mit der Nachricht, dass es ihr letzter Arbeitstag bei dem Unternehmen sei, wie der Finanzdienst Bloomberg meldete. Bei Twitter mehrten sich Tweets bisheriger Beschäftigter, die von ihrer Kündigung berichteten. Offizielle Angaben dazu, wie viele Mitarbeiter betroffen sind, gab es nicht. Und es muss sie auch nicht mehr geben, seit Musk am Donnerstag vergangener Woche die Übernahme abschloss.
Die Twitter-Büros blieben am Freitag geschlossen und alle Zugangskarten waren deaktiviert. »Wenn Sie in einem Büro oder auf dem Weg in ein Büro sind, kehren Sie bitte nach Hause zurück«, hieß es in einer an Mitarbeiter verschickten E-Mail. Die Maßnahme solle die Sicherheit der Mitarbeiter sowie der Twitter-Systeme und der Nutzerdaten gewährleisten.
Der Schritt dürfte eine Vorsichtsmaßnahme sein, um eventuelle Protestaktionen Entlassener auszuschließen. Beispiellos wäre das nicht: Im November 2017 deaktivierte ein Mitarbeiter an seinem letzten Tag im Job den Twitter-Account des damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Es dauerte rund zehn Minuten, bis das Profil wieder online war.
In der Rundmail hieß es, der Stellenabbau sei »unglücklicherweise notwendig, um den Erfolg des Unternehmens in der Zukunft sicherzustellen«. Für Twitter-Mitarbeiter war es die erste offizielle Kommunikation seit Abschluss des Kaufs, wie unter anderem die »Washington Post« berichtete.
Am Donnerstag wurde im Namen mehrerer Mitarbeiter eine Klage in San Francisco eingereicht, in der Twitter vorgeworfen wird, mit mangelhafter Kommunikation rund um die Entlassungen gegen kalifornisches Arbeitsrecht verstoßen zu haben. Die Anwälte streben den Status einer Sammelklage an.
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