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Eigentümergemeinschaften haben bei Mängeln weiter Klagerecht

Kinder spielen im Innenhof auf einer zugeschütteten Kiesgrube. Im Boden steckt eine krebserregende, umweltgefährdende Substanz. Deswegen ziehen die neuen Wohnungsbesitzer gegen eine Immobilienfirma vor Gericht. Doch da stellt sich erst eine grundsätzliche Frage.

Berlin
Ein Baugerüst steht an der Fassade von einem nicht fertig gebauten Bürohaus auf einer Baustelle in Berlin. Foto: Monika Skolimowska
Ein Baugerüst steht an der Fassade von einem nicht fertig gebauten Bürohaus auf einer Baustelle in Berlin.
Foto: Monika Skolimowska

Gemeinschaften von Wohnungseigentümern können bei Mängeln auch nach einer Gesetzesänderung vor Gericht ziehen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem am Freitag verkündeten Urteil zu einem Fall aus München klargestellt. Aus Sicht der Vorsitzenden Richterin des fünften Zivilsenats, Bettina Brückner, war die Klärung für die Praxis »überaus bedeutsam«. Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund sprach vom richtigen Ergebnis. Es sei gut, dass das nun geregelt sei.

Hintergrund der Frage ist, dass es im Wohnungseigentumsgesetz in der bis Ende November 2020 geltenden Fassung einen Paragrafen gab, aus dem abgeleitet wurde, dass Eigentümergemeinschaften Mängelrechte aus individuellen Kauf- oder Werkverträgen der Erwerber durch Beschluss an sich ziehen und durchsetzen können. Bei einer Gesetzesreform entfiel diese Regelung der »Vergemeinschaftung durch Beschluss« aber ersatzlos. Fachleute zogen daraus bislang unterschiedliche Schlüsse.

»Nähme man das Gesetz beim Wort, gäbe es jetzt nur noch zwei Möglichkeiten«, sagte Richterin Brückner. Dass ausschließlich Eigentümergemeinschaften gegen Mängel an gemeinschaftlichem Eigentum vorgehen dürfen, erscheine wenig sinnvoll, da es um individuell erworbene Rechte gehe. Wiederum handle auch ein Wohnungseigentümer, der selbstständig die Mängelbeseitigung verfolgt, grundsätzlich im Interesse aller anderen Wohnungseigentümer. Allzu eng gefassten Sichtweisen habe der BGH daher eine Absage erteilt, betonte Brückner. Im Grunde bleibt es nun bei der bisherigen, flexiblen Praxis.

Wohnungseigentümer fordern Grundstücks-Sanierung

Im konkreten Fall hatte eine Immobilienfirma Wohnungen in einem Gebäudekomplex in München verkauft. Bei einer Untersuchung des Bodens auf einer zugeschütteten Kiesgrube war aufgefallen, dass das Grundstück mit Benzo(a)pyren belastet ist. Die Substanz gilt als giftig, umweltgefährlich und krebserregend. Im Innenhof befinden sich den Angaben zufolge unter anderem Kinderspielflächen.

Die neuen Wohnungseigentümer wollen, dass das Unternehmen das Grundstück saniert. Ferner wollen sie, dass die Altlasten als Mangel anerkannt werden. In Eigentümerversammlungen beschlossen sie 2014 und 2015 mehrheitlich, gerichtlich die »Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer« geltend zu machen. Dann kam die Gesetzesreform.

Zuletzt verurteilte das Oberlandesgericht München die Firma vor einem Jahr zur Beseitigung der Altlasten - jedoch nur, soweit jeweils der Wert von 0,5 Milligramm Benzo(a)pyren je Kilogramm Erde überschritten wird. Der BGH hob dieses Urteil nun in Teilen auf und verwies den Fall zur neuen Verhandlung zurück. Bislang seien nur Prüfwerte bekannt, die noch nicht die Annahme eines Sachmangels rechtfertigten, erklärte Brückner. Es bedarf einer detaillierteren Untersuchung.

Nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes hatte der BGH 2021 entschieden, was mit Verfahren ist, die einzelne Wohnungseigentümer vor der Änderung begonnen hatten: Auch sie dürfen ihre Prozesse weiterführen - solange die Eigentümergemeinschaft nicht aktiv einschreitet und dies schriftlich dem jeweiligen Gericht mitteilt.

© dpa-infocom, dpa:221111-99-478995/2