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Deutsche Gas- und Ölindustrie fordert neue Fracking-Debatte

Die herkömmlichen Lagerstätten in Deutschland gehen zur Neige, und das Aufbrechen von Gestein mit chemischen Zusatzstoffen ist verboten. Woher also noch heimisches Erdgas nehmen?

Fracking
Diese Ölförderplattform im us-amerikanischen Tunkhannock arbeitet nach dem Prinzip des Fracking. Foto: Jim Lo Scalzo
Diese Ölförderplattform im us-amerikanischen Tunkhannock arbeitet nach dem Prinzip des Fracking.
Foto: Jim Lo Scalzo

Die Erdgas- und Erdölindustrie in Deutschland hat auch 2022 trotz des erhöhten Rohstoffbedarfs durch die Energiekrise geringere Mengen aus heimischen Quellen gefördert. Angesichts der schon seit Jahren rückläufigen Produktion will sie nun stärker auf zukunftsträchtigere Geschäfte setzen - etwa Geothermie, Herstellung von Wasserstoff oder Speicherung von CO2. Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) fordert zudem eine neue, »hinreichend informierte« Debatte über die Möglichkeiten der Fracking-Technik.

Das hierzulande gewonnene Erdgasvolumen nahm im vergangenen Jahr von rund 5,2 Milliarden Kubikmetern (2021) auf 4,8 Milliarden Kubikmeter ab, wie der BVEG am Dienstag in Hannover berichtete. Ähnlich verlief die Entwicklung beim Erdöl, dessen Inlandsproduktion von etwa 1,8 Millionen Tonnen auf 1,7 Millionen Tonnen sank. Aus diesen Mengen lassen sich nach Branchenangaben noch ungefähr 5,5 Prozent (Gas) beziehungsweise 2 Prozent (Öl) der heimischen Nachfrage abdecken.

Nationale Gasanteil 2022 leicht gestiegen

»Unsere Möglichkeiten sind begrenzt«, sagte Verbandschef Ludwig Möhring. Immerhin sei der nationale Gasanteil 2022 leicht gestiegen. Der Trend einer schrumpfenden Eigenförderung hält allerdings an.

Früher waren es in der Bundesrepublik bis zu 20 Milliarden Kubikmeter Gas oder mehr pro Jahr, die Reserven in konventionellen Lagerstätten erschöpfen sich jedoch zunehmend. Möhring wies - wie bereits kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine im vorigen Frühjahr - darauf hin, dass die deutschen Gasproduzenten weiterhin ihren Teil zur Versorgung beisteuern wollten. Die nach wie vor sehr hohen Preise für fossile Rohstoffe würden nur sinken, wenn sich das Angebot ausweite.

Möhring schlug eine nüchterne Bewertung verbesserter Verfahren vor, gebundenes Gas mit Fracking zu gewinnen: »Die Energiekrise macht umso deutlicher, dass wir diese Potenziale neu denken müssen. Dazu gehört eine abgewogene Entscheidung bezüglich der Option Schiefergas.«

Importiertes LNG teilweise aus Fracking

Große Mengen des verflüssigten Erdgases (LNG), das Europa aus den USA importiert, werden dort so gefördert. Der Hochlauf der erneuerbaren Energien allein - »so wichtig er ist« - werde vorerst nicht genügen. Übergangsweise brauche Deutschland weiterhin Gas, im Zusammenhang mit dem Atom- und dem geplanten Kohleausstieg auch zur Stromerzeugung.

»Deutschland vertraut auf andere. Das kann man natürlich so machen«, meinte Möhring, sofern man Abhängigkeiten akzeptiere. Er kritisierte, dass sich weite Teile der Politik aber »nicht mal die Mühe machen«, noch einmal über den Einsatz umweltverträglicherer Fracking-Ansätze nachzudenken: »Eine objektive Analyse wird im Keim erstickt.«

Auf bis zu ein Fünftel des deutschen Gasbedarfs ließe sich die Menge nach BVEG-Schätzung über einen Einschluss von Schiefergas theoretisch erhöhen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte sich gegen die Fördermethode ausgesprochen und in dieser Frage einen Schlagabtausch mit seinem bayerischen Kollegen Markus Söder (CSU) geliefert. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) warb für einen Einstieg, wenn ökologisch vertretbares Fracking angewandt wird. Gasbohrungen sind oft aber auch wegen weiterer Bedenken in der Kritik - so können sie beispielsweise mitunter kleinere Erdbeben auslösen.

Heimisches Erdgas mit besserer CO2-Gesamtbilanz

Beim Erdgas nur »auf die globalen LNG-Märkte zu wetten«, sei riskant, sagte Möhring. In der CO2-Gesamtbilanz schneide heimisches Gas zudem besser ab als per Tanker eingeführtes LNG. Die Bundesregierung habe bei der Einrichtung erster schwimmender Terminals »in beeindruckender Weise reagiert«. Das Thema der Verfügbarkeit von genügend Gas sei aber ein anderes als das Thema der künftigen Preisentwicklung. »Und da kann von Normalität bisher überhaupt keine Rede sein.«

Das im Vergleich zur Zeit vor dem Ukraine-Krieg immer noch hohe Preisniveau sei »Gift für unsere Volkswirtschaft«. Möhring sagte, er rechne damit, dass es im nächsten Winter nicht zu Engpässen kommt. »Gewohnte Lieferungen aus den Niederlanden, Norwegen und Deutschland werden zusammen mit dem LNG die russischen Mengen wohl kompensieren können. Aber zu welchen Preisen? Das ist eine andere Frage.«

Chancen erhoffen sich die Gas- und Ölförderer vom Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Aus Methan lässt sich »blauer« Wasserstoff herstellen - nicht so klimaschonend wie »grüner« Wasserstoff aus Wasser mit Ökostrom, dennoch sei dies eine wichtige ergänzende Variante, so Möhring. Zur unterirdischen Einlagerung von CO2 müsse es eine »sachliche Diskussion« geben. Für den Ausbau der Nutzung von Erdwärme könne die Branche Kenntnisse und alte Bohrungen einbringen.

© dpa-infocom, dpa:230418-99-358258/3