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Continental-Chef: Behalten Preisentwicklung im Blick

Wieder nur eine Online-Hauptversammlung, und diesmal mit erheblichem Technik-Stress. So mancher Anteilseigner von Continental ärgerte sich über die Art und Weise, wie das Aktionärstreffen abgehalten wurde.

Continental AG
Vertrag verlängert: Continental-Chef Nikolai Setzer soll Conti bis zum März 2029 führen. Foto: Julian Stratenschulte
Vertrag verlängert: Continental-Chef Nikolai Setzer soll Conti bis zum März 2029 führen.
Foto: Julian Stratenschulte

Continental-Chef Nikolai Setzer hat die Aktionäre des Konzerns nach seiner Vertragsverlängerung auf ein stabileres Restjahr 2023 eingestimmt - und gleichzeitig anhaltend hohe Preise bei Autotechnik und Reifen angedeutet. Zu den Gesprächen mit großen Kunden des Zulieferers sagte er: »Auch in den kommenden Monaten behalten wir das Thema im Blick. Denn die Inflation bleibt - unsere Verhandlungen auch.« Der Kostendruck etwa aus Transporten und Logistik sei uneinheitlich, liege jedoch teils oft noch über dem Vor-Corona-Niveau. Lohnerhöhungen spielten ebenfalls eine Rolle.

Vor der von einer technischen Panne geprägten Online-Hauptversammlung hatte der Aufsichtsrat Setzer für mehrere weitere Jahre an die Spitze des Dax-Unternehmens berufen. Er soll Conti bis zum März 2029 führen.

Finanzvorständin Katja Dürrfeld erklärte, im Auto-Kerngeschäft müsse man noch mit »wesentlichen Preissteigerungen« für Rohstoffe rechnen. Bei manchen Mikrochips hingegen entspanne sich die Knappheit, insgesamt gelte aber: »Der Halbleitermarkt in Gänze stellt eine substanzielle Herausforderung dar.« Für 2023 erwarte Continental Inflationseffekte von weiteren rund 1,7 Milliarden Euro. Wie stark diese auf Endkundenpreise durchschlagen könnten, ist noch unklar.

Die Firmenleitung hatte das Lieferantennetzwerk erweitert, um weniger abhängig von einzelnen Anbietern zu sein. Einige Rohstoffe beziehe man nun aus Alternativquellen, so Setzer. Bei besonders nachgefragten Halbleitertypen werde sich die Lage indes frühestens 2025 bessern.

Aufarbeitung der Cyberattacke

Mehrere Aktionärsvertreter fragten nach dem Stand der Aufarbeitung der Cyberattacke aus dem vorigen Herbst. Hacker hatten 40 Terabyte an Daten von Continental gestohlen. Einzelheiten hierzu gab es nicht, laut Dürrfeld laufen die Untersuchungen noch. Die Kosten summierten sich bisher auf einen »niedrigen einstelligen Millionenbetrag«.

Christian Retkowski von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger kritisierte das Tempo: »Nach über zehn Monaten forensischer Analyse können Sie nicht sagen, welche Arten von Dokumenten geklaut wurden?« Conti müsse sich seiner Verantwortung als Vorreiter beim autonomen Fahren bewusst sein. Sonst könnte es im Fall von IT-Hacks auch in Auto-Software bald »ganz viele scharfe Waffen auf der Straße« geben.

Die Anteilseigner lobten die Beschäftigten und das Management für die erzielten Geschäftsergebnisse im zurückliegenden Jahr, das laut Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle »erneut nicht einfach« war. Contis Nettogewinn schrumpfte von rund 1,4 Milliarden Euro (2021) auf 67 Millionen Euro. Allerdings kamen dabei auch hohe Abschreibungen wegen des gestiegenen Zinsniveaus und der Russland-Sanktionen zum Tragen.

Führung relativ optimistisch für 2023

Für 2023 gibt sich die Führung relativ optimistisch, sie geht von einer Zunahme der weltweiten Autoproduktion sowie des Umsatzes und der Ertragsspanne aus. Ausgeschüttet wird eine Dividende von 1,50 Euro je Aktie, eine Kürzung um 70 Cent. Der Umbau- und Sparkurs dauert an. Bis 2029 läuft bei Conti ein Programm, in dessen Rahmen auch etliche Stellen wegfallen. »Ab dem nächsten Jahr wollen wir jährlich mehr als 850 Millionen Euro brutto sparen«, sagte Setzer.

Unmut kam auf, weil die Hauptversammlung abermals nur rein digital veranstaltet wurde - mit beträchtlichen technischen Schwierigkeiten. Bald nach dem Beginn brach die Übertragung über das Internet ab. Nach knapp dreiviertelstündiger, mit Image-Videos gefüllter Zwangspause musste Reitzle seinen Bericht ein zweites Mal vortragen, nachdem er die Online-Variante zuvor noch mit der Möglichkeit eines »lebhaften Dialogs analog einer Präsenz-Hauptversammlung« gerechtfertigt hatte.

Ein Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz zeigte sich genervt davon: »Der Stream war ein Desaster, das darf so nicht sein«, sagte Alexander von Vietinghoff-Scheel. Ohne einen stabilen Austausch sei die Aktionärsdemokratie gefährdet. »Wir werden uns da rechtliche Schritte für unsere Mitglieder vorbehalten.«

Hauptversammlungen weiter »virtuell«

Die Führung entschuldigte sich - und bat die Aktionäre dennoch um das Recht, Hauptversammlungen für zunächst drei Jahre weiter »virtuell« veranstalten zu dürfen. Der Vorschlag wurde wie alle übrigen am Ende mit großer Mehrheit angenommen. Als einziger Aufseher kam Reitzle bei der abschließenden Entlastung auf weniger als 90 Prozent Ja-Stimmen.

Keine inhaltlichen Details wurden zum Stand interner Untersuchungen über mögliche Verwicklungen von Continental in den VW-Diesel-Skandal sowie über Qualitätsmängel bei Klimaanlagen-Leitungen und Schläuchen genannt. Für beide Themen bildete der Konzern Sonderausschüsse. »Das waren und sind besondere Belastungen«, sagte Setzer allgemein. »Wir ziehen Konsequenzen.« Ab Mai leitet der bisherige Mercedes-Manager Olaf Schick ein neues Ressort für Integrität und Recht im Vorstand.

Neuigkeiten gab es hingegen zu Plänen in den USA. Dort will Conti sein künftiges Geschäft mit Technologien für das autonome Fahren mit einer weiteren Kooperation stärken. Der Konzern schloss eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Aurora Innovation, das hochautomatisierte Systeme für Lkw und Nutzfahrzeugflotten anbietet.

© dpa-infocom, dpa:230427-99-475605/4