Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dringt auf bessere Bedingungen für den Bau bezahlbarer Wohnungen in Deutschland. Dafür sollten Vorschriften vereinfacht und vereinheitlicht werden, »damit wir serielles Bauen hinbekommen und das Bauen noch billiger wird«, sagte er am Samstag bei einer SPD-Wahlkampfkundgebung in Nürnberg. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) forderte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur eine Abkehr von geplanten Energiesparvorschriften für neue Wohnhäuser und für unsanierte ältere Gebäude.
Beide äußerten sich zu einem Treffen von Bundesregierung und Wohnungswirtschaft im Kanzleramt. Dabei geht am Montag darum, wie schnell und preiswert mehr Wohnungen gebaut werden können. Die Zahlen gehen momentan wegen hoher Zinsen und Baukosten zurück. Verbände der Baubranche verlangten ein Hilfspaket mit Steuererleichterungen, weniger Regeln und mehr Förderung. Sie forderten am Wochenende einen »Wohnungsbau-Wumms«.
Scholz sagte, bei dem Treffen sollten »ganz konkrete Dinge« besprochen werden, wie mehr Wohnungen gebaut werden können. Gebraucht werde unter anderem mehr Bauland, das in den Kommunen ausgewiesen werden müsse.
Einheitliche Grundkonstruktion von Häusern
Zum seriellen Bauen sagte er, bei Autobauern werde auch nicht jedes Modell in jedem Landkreis einzeln zugelassen, sondern es gebe eine generelle Zulassung. »Warum soll uns das mit den Grundkonstruktionen von Häusern nicht auch deutschlandweit gelingen? Das würde erhebliche Kosten sparen.« Die Wohnungen blieben weiter individuell wie auch bei Autobestellungen.
Geywitz nahm Energiesparvorschriften in den Blick. »Ich bin dagegen, mit verpflichtenden Mindest-Effizienzstandards bei Gebäuden Eigentümern von unsanierten Häusern Angst zu machen, dass sie Zehntausende von Euro investieren müssen«, sagte Geywitz auch mit Blick auf EU-Pläne.
In Brüssel wird eine Gebäudeeffizienzrichtlinie beraten, die vor allem für Häuser mit den schlechtesten Energiewerten Verbesserungen fordern würde. Dabei will auch das Bundeswirtschaftsministerium bestimmte Vorgaben verhindern. »Verpflichtende Sanierungen für einzelne Wohngebäude schließen wir aus«, zitierte der »Spiegel« aus einer Stellungnahme.
Weniger strenge Energiesparstandards
»Wir sollten erstmal bei den öffentlichen Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen, bei den Schulen unserer Kinder, bei Sporthallen, bei den Rathäusern, den Feuerwachen und Pflegeeinrichtungen«, sagte Geywitz. »Damit haben wir schon ziemlich viel CO2 gespart. Und wenn wir später feststellen, dass es noch zu viele unsanierte Einfamilienhäuser gibt, haben wir dann sicherlich auch eine Antwort darauf.«
Mit Blick auf Neubauten ging Geywitz klar auf Distanz zu dem Energiesparstandard EH40, den die Ampel im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbart hat. »Die jetzigen Kategorien, der Effizienzstandard EH40 zum Beispiel, konzentrieren sich zu sehr auf die Dämmung und die benötigte Heizwärme«, sagte Geywitz. »Wir sollten ein einfaches System entwickeln, das energieeffizientes Bauen, die Nutzung umweltgerechter und recycelter Baumaterialien und flächensparendes Bauen fördert. Das wäre eine Alternative zu EH40.«
Die Festlegung im Koalitionsvertrag stamme aus einer Zeit mit niedrigeren Finanzierungs- und Baukosten, argumentierte Geywitz. »Wir müssen dringend die Baukosten senken. Der Baukostenunterschied zwischen dem jetzt gültigen Standard EH55 und EH40 kann mehrere Hundert Euro pro Quadratmeter betragen.«
Mehr technische Flexibilität
Nötig sei ein flexibles System. »Das gilt für ältere Gebäude, aber auch für den Neubau«, sagte Geywitz. »Holz und andere natürliche Baustoffe speichern Kohlendioxid für lange Zeit. Da brauchen wir die technische Freiheit zu sagen: Wenn du beim Bau des Hauses viel CO2 speicherst oder sparst, indem du Recycling-Material verwendest, dann kannst du später in der Betriebsphase im Hinblick auf den Energieverbrauch flexibler sein.«
Mit Blick auf die Finanzierungsbedingungen sagte Scholz: »Es sind nicht die Zinsen das Problem.« Das aktuelle Niveau von etwa vier Prozent sei niedrig im Vergleich beispielsweise zum Anfang der siebziger Jahre mit 9,5 Prozent. Das Problem sei, dass zu viele Wohnungen zu Preisen gebaut worden seien, die sich viele nicht leisten können.
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