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Bundespolitiker fordern ein niedrigeres Briefporto

Das Briefporto kannte zuletzt nur eine Richtung: nach oben. 2015 waren es noch 62 Cent für einen Standardbrief, 2019 schon 80 Cent - und seit 2022 sind 85 Cent fällig. Geht es nun auch mal nach unten?

Briefkasten
Das Postgesetz wird reformiert - zuletzt gab es 1999 grundlegende Veränderungen. Foto: Christophe Gateau
Das Postgesetz wird reformiert - zuletzt gab es 1999 grundlegende Veränderungen.
Foto: Christophe Gateau

In der Debatte um die Reform des Postgesetzes haben Bundespolitiker gefordert, mit neuen Regeln eine Absenkung des Briefportos herbeizuführen.

»Wenn der Post im Rahmen dieser Reform Erleichterungen zugestanden werden und der Briefversand länger dauert, dann muss sich das für die Verbraucher im Preis niederschlagen: Das Porto für einen Standardbrief sollte billiger werden oder zumindest sehr lange konstant bleiben«, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. Ähnlich argumentieren Politiker der SPD und der CSU.

Letzte Reform 1999

Das Bundeswirtschaftsministerium hat kürzlich ein Eckpunktepapier publiziert, wonach die Pflicht zur möglichst schnellen Briefbeförderung aufgeweicht oder sogar abgeschafft werden sollte. Das Papier ist eine Diskussionsgrundlage für die anstehende Reform des Postgesetzes, das zuletzt 1999 grundlegend verändert worden ist. Bisher muss die Post 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag zustellen. Aus Sicht des Ministeriums ist so eine Vorgabe aber nicht mehr zeitgemäß, weil es beim Briefversand nicht mehr um Schnelligkeit, sondern nur noch um Verlässlichkeit gehe.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz wertet eine Änderung der Zeitvorgabe als »gutes Signal für den Klimaschutz«. Dabei bezieht er sich auf die Flugzeuge, die noch immer in Deutschland für die Post unterwegs sind und Briefe befördern. Auf diese Flieger könnte die Post verzichten, wenn sie weniger Zeitdruck bei den Sendungen hätte.

Sollte die 80-Prozent-Pflicht kippen, würde sich die durchschnittliche Wartezeit auf Briefe verlängern. Viele Verbraucher dürften das als Nachteil verstehen. Für den Bonner Konzern wäre das hingegen eine gute Nachricht: Er könnte Kosten senken. Einfach so sollte es so ein Zugeständnis an die Post aber nicht geben, findet der Christsoziale Durz. »Wer die Qualität verringert, der muss auch dafür sorgen, dass der Preis sinkt. Denn weniger Leistung zum selben Preis: Das wäre eine satte Portoerhöhung durch die Hintertür.«

Kommt die Zwei-Klassen-Post?

Teil der Reformdebatte ist auch die Frage, ob es zukünftig eine Art Zwei-Klassen-Post geben sollte - also schnelle teurere Briefe und langsame billigere Briefe. Wie genau so ein System aussehen könnte, ist noch unklar. Von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Sandra Detzer heißt es: »Eine Staffelung des Portos je nach Zustellfrist kann aus unserer Sicht Teil der Überlegungen sein.«

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff hält eine Reform der sogenannten Laufzeiten für »grundsätzlich vorstellbar«. Über die verschiedenen Modelle werde man »ohne Vorfestlegungen diskutieren«, sagt er und fügt hinzu, dass langsamere Briefe »konsequenterweise auch günstiger sein« sollten.

Das Briefporto steigt mittlerweile in der Regel alle drei Jahre. 2019 verteuerte sich der Inlandsversand eines Standardbriefs um 10 Cent auf 80 Cent, 2022 zog das Porto um 5 Cent auf 85 Cent an. Anfang 2025 läuft das jetzige Porto aus, nach geltenden Regeln wird es dann preislich wahrscheinlich weiter aufwärts gehen.

Deutsches Porto vergleichsweise niedrig

Bei solchen Preiserhöhungen muss sich die Post an einem Rahmen orientieren, den ihr die Bundesnetzagentur vorgibt. Das Unternehmen argumentiert, dass bei der letzten Preiserhöhung von einer geringen Inflation ausgegangen worden war. Dies entspreche nicht mehr der Realität. Im Vergleich zu anderen Staaten sei das deutsche Porto niedrig, man liege trotz höherer Löhne und strengerer Qualitätsvorgaben 32 Prozent unter dem Durchschnittsporto in der EU, heißt es von dem Unternehmen.

Sollten die Überlegungen des Eckpunktepapiers im  Gesetzgebungsverfahren übernommen werden, so hätte die Post auch künftig noch einen gewissen Zeitdruck - dieser wäre aber viel schwächer als bisher. Derzeit müssen 95 Prozent der Briefe am übernächsten Werktag da sein. Dem Eckpunktepapier zufolge sollte so eine Vorgabe verschärft werden, der Prozentwert könnte also erhöht werden. Allerdings ist es möglich, dass sich so eine Vorgabe dann nicht mehr auf den übernächsten, sondern auf den darauffolgenden Tag bezieht - also auf den dritten Tag nach dem Brief-Einwurf.

Skepsis unter Experten

Branchenexperten sehen die Forderungen aus der Politik skeptisch. »Würde das Porto sinken, bekäme die Post weniger Geld und es wäre fraglich, ob das Unternehmen die Qualität der Zustellung dauerhaft sicherstellen könnte«, sagt der Logistikprofessor Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. Mit Blick auf den derzeitigen Tarifstreit bei der Post fügt er hinzu, dass die Personalkosten des Unternehmens im Inland aller Voraussicht nach deutlich steigen werden. »Wenn das deutsche Briefgeschäft durch die Reform unattraktiv gemacht wird, könnte die Post ihr Interesse am Inland verlieren und stattdessen das sehr profitable Auslandsgeschäft in den Fokus nehmen.« Dann würde ein Stellenabbau in Deutschland drohen.

Die Briefe könnten künftig also länger unterwegs sein, ohne dass die Post gegen Pflichten verstößt. Tut sie es doch, könnten ihr Bußgelder durch die Bundesnetzagentur drohen. Entsprechende Sanktionsmöglichkeiten, die in dem Eckpunktepapier angedacht werden, sehen die Bundespolitiker von SPD, Union und FDP positiv. Bis zum Sommer will das Bundeswirtschaftsministerium einen ersten Gesetzentwurf vorlegen, bis Ende 2023 oder Anfang 2024 dürfte die Reform des Postgesetzes dann beschlossen sein.

© dpa-infocom, dpa:230127-99-386810/4