Der traditionsreiche Sandalen-Hersteller Birkenstock hat bei seinem mit Spannung erwarteten Börsengang in New York ein Debakel erlebt. Anleger ließen die Aktie am ersten Handelstag um fast 13 Prozent unter den Ausgabepreis fallen. Am zweiten Tag ging die Talfahrt zunächst weiter. Üblicherweise legen Firmen Wert darauf, einen Preispunkt zu finden, an dem es zum Handelsstart ein ansehnliches Plus gibt. Das ging im Fall von Birkenstock gründlich daneben.
Der erste Kurs lag am Mittwoch mit 41 Dollar um mehr als zehn Prozent unter dem Ausgabepreis. Danach wurde es noch schlimmer: Zum Handelsschluss kostete die Aktie mit 40,20 Dollar fast 12,6 Prozent weniger. Birkenstock kam damit auf eine Bewertung von 7,55 Milliarden Dollar. Im frühen Handel am Donnerstag fiel der Kurs um weitere drei Prozent an die Marke von 39 Dollar.
Wie konnte es dazu kommen? Waren Birkenstock und der Haupteigner L Catterton zu gierig beim Preis oder verschätzten sie sich bei der Nachfrage? Sicher, das Klima für Börsengänge gerade im Modebereich ist gerade mit Konjunktursorgen und knapperen Verbraucher-Budgets nicht das beste. Doch als der Chipdesigner Arm vor vier Wochen an die Börse ging, sprang seine Aktie noch um ein Fünftel hoch - auch wenn sie inzwischen von den Höchstständen abrückte. Und anders als viele unprofitable Firmen, deren Kurse beim Börsengang abhoben, kann Birkenstock auf ein solides Geschäft verweisen und wirtschaftet mit Gewinn.
Birkenstock hatte den Ausgabepreis mit 46 Dollar schon eher zurückhaltend im Mittelfeld der zuvor festgelegten Spanne von 44 bis 49 Dollar festgesetzt. Den Anlegern war jedoch auch das zu viel. Dem Wirtschaftssender CNBC zufolge missfiel zumindest einigen von ihnen, dass die Bewertung am Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) und nicht am Reingewinn festgemacht wurde. Nun stutz der Markt die Bewertung selbst.
Kein Einzelfall
Auch wenn Aktien den ersten Tag sehr selten mit Verlust beenden - Birkenstock ist kein Einzelfall. Ein ähnliches Malheur passierte im Mai 2019 zum Beispiel dem Fahrdienst-Vermittler Uber, dessen Aktie beim Börsendebüt um sieben Prozent unter dem Ausgabepreis von 45 Dollar einstieg. Später erholte sich der Kurs. Und die erst vor wenigen Wochen mit einem Plus gestartete Aktie des Lieferdienstes Instacart hängt inzwischen um 20 Prozent unter dem Ausgabepreis.
Die Birkenstock-Aktienplatzierung brachte knapp 1,5 Milliarden Dollar (rund 1,4 Mrd Euro) ein. Etwa zwei Drittel davon gehen an den Haupteigentümer L Catterton, der mit dem Luxuskonzern LVMH und dessen milliardenschwerem Chef Bernard Arnault verbandelt ist. Birkenstock will seinen Anteil am Erlös des Börsengangs zum Schuldenabbau nutzen. Firmenchef Oliver Reichert betonte nach dem Börsendebüt, Birkenstock sei auf nachhaltiges langfristiges Wachstum fokussiert. L Catterton behält auch nach dem Börsengang die Kontrolle.
Die Ursprünge von Birkenstock mit Hauptsitz in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz reichen bis ins Jahr 1774 zurück. Vor fast 250 Jahren legte der Schuhmacher Johannes Birkenstock nach Unternehmensangaben das Fundament für »eine Schumacherdynastie«. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als »Erfinder des Fußbetts«. Vom einstigen Ökolatschen-Image haben sich die Sandalen längst gelöst, in den vergangenen Jahren entwickelten sie sich immer mehr zum Mode-Accessoire, auch durch Kooperationen mit Edel-Marken wie Dior und Manolo Blahnik.
Im Ende März abgeschlossenen ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres steigerte Birkenstock den Umsatz um 18,7 Prozent auf rund 644,2 Millionen Euro. Unterm Strich blieb ein Gewinn von 40,2 Millionen Euro in den Büchern, nach rund 73,5 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Der Rückgang ging vor allem auf ungünstige Wechselkurse zurück. Das vergangene Geschäftsjahr hatte Birkenstock mit 1,24 Milliarden Euro Umsatz und 187 Millionen Euro Gewinn beendet.
© dpa-infocom, dpa:231011-99-519493/8