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Bio-Blues - Käufer werden bei Öko-Ware zurückhaltender

Einkaufen mit gutem Gewissen, das muss man sich auch leisten können. Wenn Heizen, Tanken und Strom teurer werden, schnallen Verbraucher beim Einkauf den Gürtel enger. Aber nicht bei allen Produkten.

Gemüse im Supermarkt
Viele Deutsche sparen sich wegen der hohen Inflation die Bio-Lebensmittel. Foto: Sven Hoppe
Viele Deutsche sparen sich wegen der hohen Inflation die Bio-Lebensmittel.
Foto: Sven Hoppe

Höhere Standards in der Tierhaltung und beim Umweltschutz, weniger Schadstoffe - das leisten sich momentan nicht mehr so viele Verbraucher wie zuletzt.

Viele Deutsche sparen sich wegen der hohen Inflation die hochpreisigen Bio-Lebensmittel. Bioläden und Bio-Supermärkte verkauften in den ersten drei Monaten dieses Jahres deutlich weniger Ware als im Vorjahreszeitraum, wie der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Marktforscher sehen vor allem ein Minus bei Bio-Markenprodukten. Die Bio-Eigenmarken der Supermärkte und Discounter laufen dagegen weiter gut.

BNN-Geschäftsführerin Kathrin Jäckel zufolge achten Verbraucherinnen und Verbraucher verstärkt auf den Preis. Sie stünden unter dem Eindruck von Inflation und Ukraine-Krieg sowie von steigenden Kosten bei Energie, Mobilität und Alltagsversorgung. Bioläden und Bio-Supermärkte machten nach BNN-Angaben im Januar im Schnitt knapp 10 Prozent niedrigere Tagesumsätze, im März schon mehr als 18 Prozent. Ähnlich sei die Tendenz im Bio-Großhandel. Zahlen zur verkauften Menge lagen nicht vor.

»Konsumverhalten auf Sparflamme«

Das jahrelange Wachstum der meist kostspieligeren Bio-Ware hatte sich in der Corona-Krise noch beschleunigt, weil Menschen mehr zu Hause und weniger in Kantinen und Restaurants aßen. Nun hat die Inflation den Trend womöglich gedreht. Handelsforscher sehen ein »Konsumverhalten auf Sparflamme«. Viele können bei Lebensmitteln einfacher sparen als beim Sprit für den täglichen Weg zur Arbeit.

Werde anhaltend weniger Bio gekauft, sei das Regierungsziel in Gefahr, den Bio-Anteil bis 2030 auf 30 Prozent zu steigern, warnte Jäckel. Derzeit macht Bio etwa 10 Prozent der Anbaufläche aus. »Die Klimakrise macht aber auch jetzt keine Pause«, sagte Jäckel. Sie forderte, die Mehrwertsteuer für Bio-Lebensmittel und Naturwaren zu streichen, insbesondere bei Obst und Gemüse. Bei Milch- und Fleischprodukten solle die Steuer niedriger sein als bei konventionell erzeugten Produkten.

Das Marktforschungsunternehmen GfK relativierte allerdings in einer aktuellen Studie die Bio-Umsatzeinbußen. Zwar sei das Geschäft im ersten Quartal rückläufig gewesen, doch sei das Minus geringer ausgefallen als bei den Konsumgütern insgesamt. »Daher lässt sich durchaus behaupten, das Bio weiter relativ im Trend ist.«

Bio-Eigenmarken der Händler bevorzugt

Die Kunden greifen demnach beim Kauf von Bio-Produkten vermehrt zu den Eigenmarken der Handelsketten und lassen die teureren Produkte der Markenhersteller links liegen. Die Bio-Eigenmarken der Händler erzielten laut GfK in den ersten drei Monaten ein Umsatzplus von gut neun Prozent. Die Bio-Markenhersteller büßten elf Prozent ein.

Die Menschen wollten trotz des finanziellen Drucks ihre sozialen und ökologischen Überzeugungen beim Einkaufen nicht vollkommen zurückstellen. Sie suchten deshalb günstigere Alternativen, die »auf jeden Fall Mindeststandards ihrer sozial-ökologischen Ansprüche befriedigen«, erklärte der GfK-Handelsexperte Robert Kecskes.

Ein Sprecher der Handelskette Rewe sagte, die allgemeine Kaufzurückhaltung gehe »auch an Bio nicht vorbei«. Aber dennoch sei der Trend zu Bio nach wie vor da. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka sieht sich gegen den Trend bei Bio weiter auf Wachstumskurs.

Umsatzzuwächse für vegane Produkte

Während Bio trotz des langjährigen Trends zu bewussterer Ernährung zu kämpfen hat, zeigen sich die Kunden in einem anderen Bereich weiter ausgabefreudig: Vegane Produkte vom Fleisch- und Käseersatz über vegane Süßwaren bis zu Milchersatzprodukten wiesen laut GfK auch im ersten Quartal Umsatzzuwächse zwischen 3 und 13 Prozent auf.

Auch die Marktnische für fair gehandelte Produkte wächst weiter. Es gibt mehrere Siegel für Produkte, deren Anbieter Wert auf gerechte Löhne und bessere Arbeitsbedingungen legen. Allein für Waren mit dem weit verbreiteten »Fairtrade«-Siegel gaben Verbraucher 2021 die Rekordsumme von rund 2,1 Milliarden Euro aus - ein Plus von 9 Prozent, wie der Verein Fairtrade Deutschland in Berlin bekanntgab.

Der Fairtrade-Vorstandsvorsitzende Dieter Overath hat keine Hinweise auf zu erwartende Umsatzeinbrüche. »Wir sind nicht in großer Sorge, dass wir unter die Preisräder kommen«, sagte er. »Wir haben zum Glück eine Kundschaft, die aus Überzeugung kauft.«

© dpa-infocom, dpa:220511-99-237631/5